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Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy

Titel: Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy
Autoren: Pauline Réage
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mit Klagen vertun solle. Aber ich glaube, er hat nicht die Wahrheit gesagt, nämlich, daß Glenelgs Sklaven in ihren Herrn verliebt waren, daß sie ohne ihn nicht leben konnten. Im Grunde die gleiche Wahrheit, die uns in der Geschichte der O die Bündigkeit und den unfaßbaren Anstand spüren läßt, den fanatischen Sturmwind, der dauernd bläst.
    Jean Paulhan
von der Academie Française.
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Geschichte der O
I. DIE LIEBENDEN VON ROISSY
    Ihr Geliebter führt O eines Tages in einem Stadtviertel spazieren, das sie sonst nie betreten, im Parc Monsouris, im Parc Monceau. An der Ecke des Parks, einer Straßenkreuzung, wo niemals Taxis stehen, sehen sie, nachdem sie im Park spazierengegangen und Seite an Seite am Rand einer Rasenfläche gesessen waren, einen Wagen mit Zähluhr, der einem Taxi gleicht. "Steig ein", sagt er. Sie steigt ein. Der Abend ist nicht mehr fern, und es ist Herbst. Sie ist gekleidet wie immer. Schuhe mit hohen Absätzen, ein Kostüm mit Plisseerock, Seidenbluse, keinen Hut. Aber lange Handschuhe, die über die Ärmel des Kostüms gezogen sind, und sie trägt in ihrer ledernen Handtasche ihre Papiere, Puder und Lippenstift. Das Taxi fährt geräuschlos an, ohne daß der Mann etwas zum Chauffeur gesagt hätte. Er schließt die Schiebevorhänge rechts und links an den Scheiben und hinten am Rückfenster; sie hat ihre Handschuhe ausgezogen, weil sie glaubt, er wolle sie küssen oder sie solle ihn streicheln. Aber er sagt: "Du kannst dich nicht rühren, gib deine Tasche her." Sie gibt die Tasche, er legt sie außerhalb ihrer Reichweite und fährt fort: "Und du hast zu viel an. Mach die Strumpfhalter auf, rolle deine Strümpfe bis zum Knie: hier hast du Strumpfbänder." Es geht nicht ganz leicht, das Taxi fährt schneller, und sie fürchtet, der Chauffeur könne sich umdrehen. Schließlich sind die Strümpfe gerollt, und es stört sie, die Beine nackt und frei unter der Seide ihres Hemds zu spüren. Außerdem rutschen die ausgehakten Strumpfhalter hoch. "Nimm den Gürtel ab, sagt er, und zieh den Slip aus." Das geht einfach, man braucht nur mit den Händen hinter die Hüften fassen und sich ein bißchen hochstemmen. Er nimmt ihr Gürtel und Slip aus der Hand, legt sie in die Tasche und sagt dann: "Du darfst dich nicht auf dein Hemd und auf den Rock setzen, du mußt beides hochziehen und dich direkt auf die Bank setzen." Die Bank ist mit Kunstleder bezogen, es ist glitschig und kalt, man schaudert, wenn man es an den Schenkeln spürt. Dann befiehlt er ihr: "Zieh jetzt deine Handschuhe wieder an." Das Taxi fährt noch immer, und sie wagt nicht zu fragen, warum René sich nicht rührt und nichts mehr sagt, noch was es für ihn bedeuten kann, daß sie reglos und stumm, so entblößt und so ausgesetzt, so wohl behandschuht, in einem schwarzen Wagen sitzt und nicht weiß, wohin sie fährt. Er hat ihr nichts befohlen und nichts verboten, doch sie wagt weder die Beine überzuschlagen noch die Knie zu schließen. Sie hat die beiden behandschuhten Hände rechts und links auf den Sitz gestützt.
"Voila", sagt er plötzlich. Voila: das Taxi hält in einer schönen Allee, unter einem Baum - es sind Platanen - vor einem kleinen Palais, ähnlich den kleinen Palais am Faubourg Saint-Germain, das man zwischen Hof und Garten mehr ahnt als sieht. Die Straßenlaternen sind ein Stück entfernt, es ist dunkel im Wagen, und draußen regnet es. "Halt still", sagt René. "Halt ganz still." Er streckt die Hand nach dem Kragen ihrer Bluse aus, öffnet die Schleife, dann die Knöpfe. Sie beugt den Oberkörper ein wenig vor, sie glaubt, er wolle ihre Brüste streicheln. Nein. Er tastet nur, faßt und durchschneidet mit einem Taschenmesser die Träger des Büstenhalters und zieht ihn ihr aus. Unter der Bluse, die er wieder geschlossen hat, sind jetzt ihre Brüste frei und nackt, wie ihr Leib nackt und frei ist von Taille bis zu den Knien.
"Hör zu", sagt er. "Es ist soweit. Ich lasse dich jetzt allein. Du steigst aus und klingelst an der Tür. Du folgst der Person, die dir öffnet, du tust alles, was man von dir verlangt. Wenn du nicht sofort hineingehst, wird man dich holen, wenn du nicht sofort gehorchst, wird man dich zwingen zu gehorchen. Deine Tasche? Nein, du brauchst deine Tasche nicht mehr. Du bist weiter nichts als das Mädchen, das ich anliefere. Doch, doch, ich werde dort sein. Geh!"
Eine andere Version des gleichen Anfangs war brutaler und simpler: die junge Frau war, ebenso gekleidet, von ihrem Geliebten und einem seiner
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