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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)
Autoren: Janine Kunze
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beste Mama, die es gibt. Ich bin dir so dankbar, für alles, was du für mich getan hast, und dafür, dass du mich nie aufgegeben hast! Ihr habt so viel auf euch genommen für mich. Ich bin so froh, dass ihr meine Familie seid!«
    »Und ich bin unendlich froh, dass du wieder auf uns zugekommen bist und wir uns die Hand gereicht haben. Ich liebe dich, mein Schatz.«
    Mama drückte mich noch einmal fest, dann schniefte sie, ließ mich los und sagte: »Probier es doch mal an. Wahrscheinlich ist es dir viel zu weit.«
    Während ich den Deckel der Schatulle wieder zurückklappte, schnäuzte sich Mama und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Ich nahm das Armband heraus und legte es um mein Handgelenk. Es war mir tatsächlich viel zu weit. Ich würde es enger machen lassen müssen.
    Vor meinem inneren Auge sah ich das lachende Gesicht meiner kleinen, fröhlichen Oma vor mir. Und ich erinnerte mich an den Moment kurz vor ihrem Tod, als sie mir ihr Armband geschenkt und gesagt hatte, dass es Mama für mich aufbewahren würde, bis ich erwachsen war.
    Auch wenn sie sich immer gewünscht hatte, dass ich meiner leiblichen Mutter wieder näherkam, hätte sie sich sicher mit mir über meine kurz bevorstehende Adoption gefreut. Denn eine Familie konnte gar nicht groß genug sein. Und ihre Wurzeln durften ruhig ein bisschen verästelt sein, Hauptsache, sie waren fest und tief und hielten einem Sturm stand.

Wir gehören zusammen
    Und meine Seele spannte
    Weit ihre Flügel auf,
    Flog durch die stillen Lande,
    Als flöge sie nach Haus.
    JOSEPH VON EICHENDORFF
    Mama öffnete die schwere Kirchentür. Es war ihr sehr wichtig gewesen, dass wir auf dem Weg ins Restaurant hierherkamen. Unsere Gespräche verstummten und meine Augen mussten sich erst an das Halbdunkel des Kircheninneren gewöhnen. Langsam gingen wir zu dem Marienaltar auf der linken Seite des Kirchenschiffs hinüber. Vor der kleinen Marienstatue standen die Halterungen mit den Gebetskerzen in mehreren Reihen. Im Luftzug der sich schließenden Kirchentür flackerten die brennenden Kerzen leicht. Hier hatten wir alle schon oft gestanden und für etwas gebetet oder uns für etwas bedankt. Ich zündete jeden Sonntag eine Kerze für Oma an und dachte an sie.
    Jeder von uns warf etwas Geld in den Opferstock, nahm eine Kerze, zündete sie an und stellte sie in die Halterung. Dann falteten wir die Hände und ich schloss die Augen.
    Meine Familie war meine Familie. Nicht die Probleme waren ausschlaggebend, sondern die Liebe. Das war eigentlich schon immer klar gewesen.
    Wir hatten es geschafft. Wir hatten einen langen Kampf gewonnen. Vor zwei Stunden war unsere Anhörung vor Gericht zu Ende gegangen. Der Richter hatte gesagt, dass er die Adoption aussprechen würde. Das war der wichtigste Moment meines bisherigen Lebens gewesen. Und der feierlichste. Aber es würde sicher noch mehrere Tage dauern, bis ich das alles wirklich begreifen konnte.
    Ich war so unendlich erleichtert, dass alles wieder gut war. Dass die letzten Jahre nichts zwischen uns dauerhaft zerstört hatten. Mama, Papa und ich wussten mittlerweile, dass es jahrelang eigentlich nur ein Problem zwischen uns gegeben hatte: Wir hatten keine komplette Familie sein dürfen. Alles war halb fertig gewesen, nicht wirklich entschieden und hing in der Luft. Die Angst, dass unsere Familie beim nächsten stärkeren Windstoß auseinanderbrach, und die Unsicherheit, die über allem lag, hatte beinahe alles für immer zerstört.
    Sicher, ich war auch erwachsen geworden in den letzten Jahren, mit allen Querelen, die das mit sich brachte. Aber das Schlimmste war immer die fehlende Entscheidung gewesen, die uns vor Jahren verwehrt worden war.
    Mein Gebet bestand heute nur aus einem Wort, das ich immer wieder in Gedanken wiederholte: Danke. Und ich wusste gar nicht genau, an wen sich dieses Danke richtete. An Gott, ja. Aber auch an meine Mutter. Dafür, dass sie mich geboren hatte und mir so eine tolle Familie gegeben hatte. Und vor allem an Mama und Papa, ohne die ich niemals die geworden wäre, die ich heute war. Die mich nie fallen gelassen hatten und die mir beigebracht hatten, nicht wegzurennen, sondern durchzuhalten und für mein Glück zu kämpfen.
    Als wir die Kirche verließen, waren wir alle ergriffen. Anne, Kerstin, Stefan, Papa, Mama und ich – jedem von uns bedeutete dieser Augenblick sehr viel. Auch mein Freund Thomas war heute mitgekommen und ich freute mich, dass er dieses wichtige Erlebnis mit mir teilen konnte.
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