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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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Direktor warf einen letzten Blick auf die wolkige graubraune Wölbung des Jupiters und bedauerte, nicht so lange warten zu können, bis auch die vier großen Jupitermonde – die rötliche Io, die Europa, der Ganymed und die Kallisto – über dem Horizont standen und Jupiter im ersten Viertel zur Hälfte orangefarben und zur Hälfte graubraun war. Dabei fiel ihm ein, dass er Jupiter noch nie hatte untergehen sehen. Das musste auch sehr schön sein: Langsam würde der Strahlenglanz der Exosphäre erlöschen und der nachtende Himmel mit Sternen bestickt sein wie schwarzer Samt mit Diamanten. Aber während des Jupiteruntergangs gibt es normalerweise alle Hände voll zu tun.
    Der Direktor betrat den Lift und fuhr bis zur untersten Etage. Die Planetologische Station auf der Amalthea war eine kleine Stadt nur für Wissenschaftler; sie erstreckte sich über mehrere Ebenen, die in die Eisdecke eingelassen und aus Metallplast gegossen worden waren. Hier lebten, arbeiteten und studierten rund sechzig Menschen, um genau zu sein sechsundfünfzig junge Männer und Frauen, alles vortreffliche Leute mit einem vortrefflichen Appetit.
    Der Direktor warf einen Blick in die Sporträume, aber es war keiner mehr da. Nur im kugelförmigen Bassin badete noch jemand, und das Echo des Geplätschers hallte von der Decke zurück. Der Direktor ging langsam weiter, denn die Magnetschuhe waren schwer. Auf der Amalthea gibt es fast keine Schwerkraft, was äußerst unbequem ist. Natürlich gewöhnt man sich daran, aber in der ersten Zeit hat man das Gefühl, als sei der Körper mit Wasserstoff gefüllt und wolle aus den Magnetschuhen heraushüpfen. Besonders schwierig ist es anfangs, unter diesen Bedingungen zu schlafen.
    Zwei Astrophysiker kamen mit nassen Haaren vom Duschen, begrüßten den Direktor und eilten weiter zum Lift. Der eine schwankte seltsam und tänzelte – anscheinend waren seine Magnetsohlen defekt. Der Direktor bog zum Speiseraum ab, wo etwa fünfzehn Menschen saßen und frühstückten.
    Onkel Walnoga, Koch und Chefgastronom der Station, fuhr mit dem Servierwagen von Tisch zu Tisch. Er hatte schlechte Laune. Von Natur aus schon recht unfreundlich, war er nun seit einigen Tagen ausgesprochen mürrisch, weil von der Kallisto über Funk die Katastrophenmeldung gekommen war, das dortige Lebensmitteldepot sei durch Pilzbefall vernichtet worden. Pilzbefall hatte auch früher schon Schaden angerichtet, aber nun waren alle Lebensmittel bis zum letzten Zwieback und auch die Chlorellaplantagen vernichtet worden.
    Auf der Kallisto ist es nicht leicht zu arbeiten. Im Gegensatz zur Amalthea besitzt der vierte Trabant eine Biosphäre, und es gibt bis heute kein Mittel, das Eindringen des Pilzes in Wohnräume zu verhindern. Der Pilz an sich aber ist interessant: Er durchdringt jede Wand und verschlingt alles Essbare – Brot, Konserven, Zucker, besonders aber Chlorella. Gelegentlich befällt er auch Menschen, aber das ist ungefährlich. Zuerst machte man sich deswegen große Sorgen, und sogar die Tapfersten erbleichten, wenn sie auf ihrer Haut den charakteristischen, ein wenig glitschigen Belag entdeckten. Aber der Pilz verursacht im lebenden Organismus weder Schmerzen noch Schaden. Man spricht ihm sogar eine tonisierende Wirkung zu. Dafür aber vernichtet er Lebensmittel umso radikaler.
    »Onkel Walnoga«, rief jemand. »Gibt es zum Mittagessen auch Zwieback?«
    Der Direktor konnte nicht sehen, wer das gefragt hatte, weil alle, die an den Tischen saßen, nun Onkel Walnoga das Gesicht zuwandten und aufhörten zu kauen. Die hübschen jungen Gesichter waren fast alle tief gebräunt und schienen ein wenig abgemagert. Oder kam es ihm nur so vor?
    »Heute Mittag gibt es Suppe«, antwortete Onkel Walnoga.
    »Hervorragend!«, sagte jemand. Wer – das konnte der Direktor wieder nicht sehen.
    Er ging zu einem Tisch und setzte sich. Walnoga kam mit dem Servierwagen, und der Direktor nahm sich sein Frühstück: einen Teller mit zwei Scheiben Zwieback, eine halbe Tafel Schokolade und eine gläserne »Birne« mit Tee. Obwohl er sehr geschickt hantierte, hüpften die dicken weißen Zwiebäcke hoch und blieben in der Luft hängen. Das birnenförmige, oben geschlossene Glas blieb stehen, weil es einen Magnetstreifen am Fuß hatte. Der Direktor ergriff einen Zwieback, biss ab und hob das Glas an den Mund. Der Tee war kalt.
    »Suppe«, sagte Walnoga leise zum Direktor. »Sie können sich vorstellen, was für eine Suppe das ist. Aber die denken womöglich, ich
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