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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel
Autoren: Ronald Dworkin
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anderer achten. Im elften Kapitel skizziere ich eine abstrakte Grundlage für diese interpretative Integration von Ethik und Moral und befasse mich mit Einwänden gegen die Durchführbarkeit eines solchen Projekts. In den Kapiteln 12 bis 14 gehe ich auf eine Reihe zentraler moralischer Fragen ein: Unter welchen Umständen verlangt es eine angemessene Wertschätzung der eigenen Würde, anderen zu helfen? Warum verbietet sie es, ihnen Schaden zuzufügen? Wie und warum kommt einer Person besondere Verantwortung gegenüber bestimmten anderen zu, sei es in Folge gezielter Handlungen wie etwa Versprechen oder aufgrund oft nicht frei gewählter Beziehungen? Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, treffen wir auf alte philosophische Fragen. Welche Rolle spielen quantitative Erwägungen in unseren Entscheidungen darüber, wem wir helfen sollen? Welche Verantwortung haben wir hinsichtlich unabsichtlich entstandener Schäden? Wann dürfen wir bestimmten Menschen Schaden zufügen, um anderen zu helfen? Warum führen Versprechen zu Verpflichtungen? Kommen uns Verpflichtungen allein aufgrund unserer Mitgliedschaft in politischen, ethnischen, sprachlichen oder anderen Gemeinschaften zu?
    37 Politik
    Der vierte Teil endet mit einem Übergang zum fünften Teil, und so endet das Buch an dem Punkt, an dem ich diese Zusammenfassung begonnen habe: mit der Theorie der Gerechtigkeit. Diese Theorie sollte aus den vorangegangenen Kapiteln ableitbar sein, und ich hoffe, daß meine umgekehrte Präsentation der Argumentation in diesem einleitenden Kapitel die wechselseitige Abhängigkeit der verschiedenen Themen dieses Buches unterstreicht. Wie ich in Kapitel 15 zeigen werde, krankt ein Großteil der Politischen Philosophie daran, daß die wichtigsten politischen Begriffe nicht als interpretativ verstanden werden, und in den verbleibenden Kapiteln versuche ich, diesen Fehler zu korrigieren. Dabei verteidige ich die bereits in dieser Zusammenfassung explizierten Auffassungen jener Begriffe und beanspruche für sie eine Wahrheit, die nur auf der Grundlage einer gelungenen Integration behauptet werden kann. Das letzte Kapitel ist ein Epilog: In ihm werde ich nochmals, nun aber aus der Perspektive der Würde, die Auffassung vertreten, daß Werten Wahrheit zukommt und daß sie unteilbar sind.
    Eine einfache Geschichte
    Die folgenden Überlegungen beanspruchen nicht, als Beitrag zur Geistesgeschichte ernst genommen zu werden, da sie weder besonders nuanciert noch wirklich ausgearbeitet und sicher auch nicht hundertprozentig zutreffend sind. Was auch immer die historischen Schwächen der folgenden Geschichte sein mögen, glaube ich aber doch, daß sie zu einem besseren Verständnis meiner in diesem Kapitel zusammengefaßten Argumentation verhelfen kann, indem sie diese im Rahmen einer größeren historischen Narration verortet. Im Epilog am Ende des Buches will ich ein weiteres Mal, aber kürzer und in anderer Form, auf
38 dieselbe Geschichte zurückkommen und eine neue Herausforderung hinzufügen.
    Die Moralphilosophen der Antike waren Philosophen der Selbstbejahung. Platon und Aristoteles haben die Situation des Menschen in den von mir bereits genannten Begriffen verstanden: Wir haben ein Leben zu führen und sollten danach streben, daß dieses Leben ein gutes ist. Ethische Überlegungen veranlassen uns, so meinten sie, nach »Glück« zu streben, womit nicht ein episodisches Aufflackern von Lust oder Freude, sondern die mit einem erfolgreichen Leben als Ganzes betrachtet verbundene Zufriedenheit oder Erfüllung gemeint ist. Auch die Moral stellt ihre Forderungen, die in einer Reihe von Tugenden zum Ausdruck kommen, zu denen auch die Tugend der Gerechtigkeit gehört. Was das Glück ausmacht und was die Tugenden beinhalten, ist damit noch nicht klar bestimmt, so daß wir, um den Anforderungen der Ethik und Moral zu genügen, zunächst herausfinden müssen, was Glück eigentlich ist und was die Tugenden genau von uns verlangen. Wir stehen also vor einer interpretativen Aufgabe, nämlich jener, Konzeptionen des Glücks und jener uns so vertrauten Tugenden herauszuarbeiten, die gut zueinander passen, so daß der überzeugendste ethische Ansatz als Quelle des bestmöglichen Verständnisses moralischer Fragen dienen kann und zugleich von jenem Verständnis mitbestimmt wird.
    Die von ihrem Glauben an Gott berauschten Philosophen des frühen Christentums und des Mittelalters hatten dasselbe Ziel, und konnten, um es zu erreichen, auf das Geschenk einer
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