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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Der Page und die Herzogin
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Haß
erscheint mir nicht ganz unverständlich», sagte Justin trocken.
    «N-naja»,
gab Léon zweifelnd zurück. «Ich war damals erst fünfzehn. Ich erinnere mich,
ich bekam den ganzen Tag nichts zu essen – und Schläge noch obendrein. Und –
und das ist alles, Monseigneur, bis Sie kamen und mich mitnahmen.»
    Justin
ergriff eine Kielfeder und ließ sie durch seine Finger gleiten. «Darf ich
fragen, warum du Charlotte mit dem – äh – Tranchiermesser umzubringen
versuchtest?»
    Léon
errötete und blickte zur Seite.
    «Das – das
hatte seinen Grund, Monseigneur.»
    «Ich
bezweifle es nicht.»
    «Ich – ich
meine, sie war sehr unfreundlich und grausam und – und sie brachte mich in
Zorn. Das war das Ganze.»
    «Ich bin
sowohl unfreundlich wie grausam, aber ich rate dir nicht zum Versuch, mich
umzubringen. Oder einen meiner Bediensteten. Ich weiß nämlich, was deine
Haarfarbe ankündigt.»
    Die langen
dunklen Wimpern hoben sich wieder, und das Grübchen zeigte sich abermals.
    «Colère
de diable», sagte
Léon.
    «Stimmt. Du
wirst gut daran tun, ihn bei mir nicht aufkommen zu lassen, mein Kind.»
    «Ja,
Monseigneur. Die, die ich liebe, versuche ich nicht zu töten.» Justins Lippen
kräuselten sich spöttisch.
    «Ich atme
auf. Nun höre mich an. Du wirst von jetzt an mein Page sein; du wirst gekleidet
und verpflegt und gut ausgestattet werden, doch dafür verlange ich von dir
Gehorsam. Verstanden?»
    «Aber ja,
Monseigneur.»
    «Du wirst
erfahren, daß mein Wort bei meinen Dienern Gebot ist. Und dies ist mein erster
Befehl für dich: sollte dich jemand fragen, wer du bist oder woher du kommst,
so antworte nur, daß du Avons Page bist. Du wirst deine Vergangenheit
vergessen, bis ich es dir erlaube, dich ihrer zu erinnern. Verstanden?»
    «Ja,
Monseigneur.»
    «Und du
wirst Walker genauso gehorchen wie mir.»
    Das feste
Kinn schob sich nach vorne; Léon warf einen abschätzenden Blick auf den Herzog.
    «Tust du's
nicht ...» die sanfte Stimme wurde noch sanfter – «so wirst du entdecken, daß
auch ich zu strafen verstehe.»
    «Wenn es
Ihr Wille ist, daß ich diesem Walker gehorche», erklärte Léon würdevoll, «werde
ich's tun, Euer-r-r Gna-a-aden!»
    Justin
faßte ihn ins Auge.
    «Gewiß. Und
mir ist es lieber, wenn du mich Monseigneur nennst.»
    Die blauen
Augen blitzten boshaft auf. «Dieser Walker hat gesagt, wenn ich mit Ihnen
spreche, Monseigneur, muß ich 'Euer-r-r Undsoweiter' sagen, pah! Ich kann's
nicht, enfin!»
    Einen
Augenblick lang starrte Justin seinen Pagen hochmütig an. Sofort dämpfte sich
das Blitzen der Augen. Léon starrte ernst zurück.
    «Sei auf deiner Hut!» warnte
ihn Justin.
    «Ja,
Monseigneur», erwiderte Léon schwächlich.
    «Du kannst
jetzt gehen. Heute abend wirst du mich begleiten.» Der Herzog
tauchte seine Feder in das Tintenfaß und begann zu schreiben.
    «Wohin,
Monseigneur?» erkundigte sich der Page höchst interessiert.
    «Was kümmert's
dich? Ich habe dich entlassen. Geh!»
    «Ja,
Monseigneur. Pardon.» Léon ging und schloß behutsam die Tür hinter sich.
Draußen begegnete er Davenant, der langsam die Treppe herunterkam. Hugh
lächelte.
    «Nun, Léon?
Wo hast du den ganzen Vormittag gesteckt?»
    «Ich habe
die neuen Kleider angelegt, M'sieu'. Ich sehe nett darin aus, n'est-ce pas?»
    «Sehr nett.
Wohin gehst du jetzt?»
    «Weiß
nicht, M'sieu'. Kann ich vielleicht etwas für Monseigneur tun?»
    «Wenn er dir
keine Weisungen gab, nichts. Kannst du lesen?»
    «Aber
gewiß! Ich hab's doch gelernt. Ach, ich hab vieles vergessen, M'sieu'!»
    «So, hast
du?» fragte Hugh amüsiert zurück. «Komm mit, Kind, ich werde dir ein Buch
aussuchen.»
    Als Hugh
zwanzig Minuten später die Bibliothek betrat, traf er den Herzog noch immer
schreibend an.
    «Justin,
wer und was ist Léon? Er ist ein reizendes Kind – bestimmt kein Bauernlümmel!»
    «Er ist ein
vorlauter Range», sagte Justin mit dem Schatten eines Lächelns. «Der erste
meiner Pagen, der es wagte, mich auszulachen.»
    «Er hat
dich ausgelacht? Eine sehr heilsame Erfahrung für dich, Alastair. Wie alt ist
das Kind?»
    «Ich habe
meine Gründe, es für neunzehn zu halten», sagte Justin gelassen.
    «Neunzehn?
Meiner Treu, das ist doch unmöglich! Das ist doch noch ein Baby!»
    «Nicht
ganz. Kommst du heute abend mit mir zu Vassaud?»
    «Möglich.
Ich hab zwar kein Geld zu verlieren, aber was liegt schon dran?»
    «Du
brauchst nicht zu spielen», sagte Justin.
    «Warum dann
in einen Spielsalon gehen, wenn man nicht
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