Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Lady April
Vom Netzwerk:
die ich zufällig vergaß,
und ich hatte Angst, du könntest böse werden:»
    «Was für
ein unangenehmer Ehemann muß ich sein», murmelte er reumütig. «Soll ich diese
Rechnung mit den übrigen bezahlen?»
    «Bitte
nein. Es ist nur eine ganz kleine – schau!» Sie zeigte sie ihm, doch er sah sie
gar nicht an, sondern nahm ihre Hand in die seine, zerdrückte die Rechnung
zwischen seinen Fingern und sagte: «Du darfst dich vor mir nicht fürchten. Das
war nie meine Absicht. Ich werde diese Rechnung bezahlen und auch alle andern –
nur verstecke sie nie vor mir!»
    «Ich mich
vor dir fürchten? O nein, nein», rief sie.
    Seine Hand
schloß sich enger um die ihre und er beugte sich vor, als wolle er sie küssen.
Doch eben in diesem Augenblick trat Nells Kammerfrau ein. Obwohl sie sich
unverzüglich wieder zurückzog, war die Stimmung zerrissen. Nell hatte, heftig
errötend, ihre Hand eiligst zurückgenommen, und der Earl machte keinen
weiteren Versuch, sie wieder zu fassen. Er erhob sich – auch sein Gesicht hatte
sich gerötet –, denn er empfand die ganze Verlegenheit eines Mannes, der um
zehn Uhr vormittags dabei ertappt wird, seine eigene Frau zu liebkosen. Er
flüchtete eilends in sein Ankleidezimmer.

2
    Kurz vor vier Uhr nachmittags fuhr die
Barutsche der jungen Lady Cardross durch das Stanhope-Tor in den Hyde Park. Es
war ein ungemein elegantes Vehikel, der dernier cri für Stadtequipagen. Ihr
Gatte hatte es ihr, gemeinsam mit einem Paar vollendet zusammenpassender Grauschimmel,
anläßlich ihres Einzuges als Herrin des Palais am Grosvenor Square geschenkt.
«Unschlagbar schick», nannte es Dysart, denn fraglos besaß keine andre Dame ein
eleganteres Gefährt. Für jedermann, der zur Gesellschaft zählte, war es de
rigueur, während der Londoner Saison an jedem schönen Nachmittag zwischen
fünf und sechs Uhr fahrend, reitend oder auch nur spazierengehend im Hyde Park
gesehen zu werden. Vor ihrer Heirat, als sie noch neben ihrer Mama in einem
altmodischen Landaulette saß, hatte Nell die Besitzer der eleganten Equipagen
häufig beneidet und sich gedacht, wie angenehm es sein müßte, in einer smarten
Barutsche hinter einem Paar hoch trabender edler Tiere zu sitzen. Sie war über
das Geschenk des Earl restlos begeistert gewesen und hatte naiv ausgerufen:
«Jetzt werde ich auch bald zu den tonangebenden Damen gehören!»
    «Wünschest
du dir denn das?» hatte er amüsiert gefragt.
    «Ja»,
erwiderte sie ehrlich. «Und ich glaube, daß ich es werden muß, obwohl Miss
Wilby – unsere Gouvernante, weißt du – immer sagte, es sei nicht recht, seine
Gedanken auf weltliche Dinge zu richten. Denn du bist doch tonangebend, und
daher ist es, wie ich glaube, unerläßlich, daß auch ich tonangebend werde.»
    «Ich bin
überzeugt», sagte er mit bewunderungswürdig beherrschtem Gesichtsausdruck, «daß
es selbst Miss Wilby für deine Pflicht betrachten würde.»
    Sie war
diesbezüglich etwas im Zweifel, doch da sie sich glücklicherweise erinnerte,
nicht mehr in der Obhut ihrer Gouvernante zu stehen, gelang es ihr, diese
exzellente Erzieherin aus ihren Gedanken zu verbannen. «Du weißt doch, wie
viele Leute über Lord Dorset und seine Schimmel sprechen, und auch über Mrs.
Toddington und ihre Füchse?» sagte sie in vertraulichem Ton. «Jetzt werden
sie über Lady Cardross und ihre Grauschimmel sprechen. Es sollte mich gar nicht
wundern, wenn meine Barutsche ebensoviel Augen auf sich zöge wie die ihre.»
    «Auch mich
nicht», stimmte Seine Lordschaft ihr bei, feierlich wie ein Richter. «Ich würde
mich viel eher wundern, wenn es nicht der Fall wäre.»
    Ob es nun
die smarte Aufmachung war, die alle Augen auf sich zog, wenn sie durch den Park
fuhr, oder die charmante Insassin, jedenfalls kostete Nell bald das Glück aus,
tatsächlich große Aufmerksamkeit zu erregen. Sie wurde bald eine bekannte, ja
selbst berühmte Erscheinung und zweifelte nie daran, diesen Triumph ihren
prächtigen Pferden zu verdanken, bis ihre weltweisere Schwägerin eines Tages,
als sie in den Wagen stieg, gesprächsweise erwähnte: «Ist es nicht ein
glückliches Zusammentreffen, Nell, daß du blond bist, und ich dunkel? Ich
wundere mich gar nicht, daß uns alle Welt anstarrt: wir laufen allen andern Damen
den Rang ab. Mr. Bottisham sagte das kürzlich zu Hardwick, und Hardwick meinte,
das sei ein ungemein wertvolles Kompliment, weil Mr. Bottisham im allgemeinen
ekelhaft kritisch ist. Ich glaube», fügte sie, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher