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Generation P

Generation P

Titel: Generation P
Autoren: Viktor Pelewin
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aussah wie der junge Dracula, war der Boß. Von ihm erfuhr Tatarski, daß der kleine Würfel aus blauer Plastik, der da auf dem leeren Pappkarton stand, ein Silicon-Graphics-Computer war und ein Heidengeld kostete. Das Programm Soft Image , das auf ihm installiert war, kostete noch mal so viel. Silicon war der Kronschatz in diesem Höhlenreich. Daneben gab es noch ein paar Computer einfacherer Art, mehrere Scanner und irgendeinen kompliziert ausschauenden Videorecorder mit vielen Anzeigefeldern. Ein Detail beeindruckte Tatarski besonders: An dem Recorder war ein Rad mit Kurbel, ähnlich wie bei einer alten Nähmaschine, mit dem man die Bilder von Hand weiterspulen konnte.
    Draft Podium hatte gerade einen besonders verheißungsvollen Kunden an der Angel.
    »Das Objekt ist zirka fünfzig Jahre alt«, sagte Sergej und zog an seiner Mentholzigarette. »Ehemaliger Physiklehrer. Als das Chaos anfing, hat er kurzerhand einen Bäckereibetrieb gegründet, spezialisiert auf Vogelmilch-Törtchen, und in zwei Jahren so viel Geld gemacht, daß er jetzt das ganze Backwarenkombinat Lefortowo unter Vertrag hat. Vor kurzem hat er einen großen Kredit aufgenommen. Seit vorgestern säuft er. Dauert bei ihm so um die zwei Wochen.«
    »Wo habt ihr das alles her?« fragte Tatarski neugierig.
    »Die Sekretärin«, sagte Sergej. »Kriegen müssen wir ihn also jetzt und ihm ein Treatment vor die Nase halten, solange er noch nicht wieder runter ist. Im nüchternen Zustand sind seine Taschen wie zugenäht. Morgen um eins haben wir einen Termin in seinem Büro.«
    Tags darauf klingelte Morkowin in alle Frühe an Tatarskis Tür. Er hatte eine große knallgelbe Plastiktüte dabei. Darin war ein weinroter Sakko aus einer Art Mantelstoff, auf dessen Brusttasche ein kompliziertes Wappen prangte, dem Emblem auf der Marlboro-Schachtel nicht unähnlich. Dies sei eine Klubjacke, wurde er von Morkowin aufgeklärt. Tatarski verstand Bahnhof, zog sie jedoch gehorsam an. Außerdem holte Morkowin aus der Tüte noch ein affiges, in Leder gebundenes Notizbuch, einen unglaublich dicken Kugelschreiber mit der Aufschrift Zoom und einen Pager – so etwas gab es in Moskau erst seit allerneuestem.
    »Den schnallst du dir an den Gürtel«, sagte Morkowin. »Du triffst dich mit dem Kunden Punkt eins, um zwanzig nach piepse ich dich damit an. Wenn das Ding losgeht, nimmst du es vom Gürtel und guckst bedeutungsvoll drauf. Und während der Kunde redet, machst du dir immerzu in dem Planer Notizen.«
    »Wozu das alles?« wollte Tatarski wissen.
    »Blöde Frage. Der Kunde zahlt eine Menge Geld – für nichts als ein Blatt Papier mit ein paar Spritzern aus der Druckerpatrone drauf. Er muß sich hundertprozentig sicher sein, daß vor ihm tausend andere denselben Preis für dieselbe Leistung gezahlt haben.«
    »Ich finde ja, Planer und Pager und dieser ganze Plunder müßte ihn eher zweifeln lassen.«
    Morkowin winkte ab. »Das siehst du zu kompliziert. Das Leben ist einfacher und bescheuerter. Ach, noch was.«
    Er zog ein schmales Etui aus der Tasche, klappte es auf und hielt es Tatarski unter die Nase. Darin lag eine schwere Armbanduhr aus Gold und Stahl, die ebenso prächtig wie monströs war.
    »Eine Rolex Oyster. Sie ist falsch, sei vorsichtig, daß du nicht das Gold abschlägst. Ich benutze sie nur geschäftlich. Während du mit dem Kunden redest, kannst du ein bißchen damit herumwedeln. Das hilft.«
    Tatarski war schwer beeindruckt, wie man ihm unter die Arme griff. Um halb eins trat er aus der Metro. Die jungen Leute von Draft Podium warteten in der Nähe des Ausgangs. Sie waren in einem langen schwarzen Mercedes vorgefahren. Inzwischen hatte Tatarski genügend Einblick ins Geschäft, um zu wissen, daß das Auto für zwei Stunden gemietet war. Sergej hatte sich immer noch nicht rasiert, was ihm nun aber – im Zusammenspiel mit der Fliege und den unglaublich schmalen Revers seines schwarzen Sakkos – eine düstere Eleganz verlieh. Neben ihm saß Lena, die sich um die Verträge und die Buchhaltung kümmerte. Kein Schmuck, kein Make-up – sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid und hielt eine Mappe mit kleinem goldenem Verschluß im Arm. Als Tatarski einstieg, sahen die drei sich an; dann sagte Sergej zum Fahrer:
    »Ab geht’s!«
    Lena war nervös. Die ganze Fahrt über erzählte sie kichernd von irgendeinem Asadowski – anscheinend der Lover ihrer Freundin. Von diesem Asadowski schien sie regelrecht verzückt zu sein: Er war aus der Ukraine nach Moskau gekommen,
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