Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut
Autoren: Elke Pistor
Vom Netzwerk:
wäre nie im Schwimmbad gewesen. Sie vertrüge die Sonne nicht.« Ich starrte ratlos auf den Schmuck.
    »Wie heißt ›sie‹ denn?«, fragte Frau Angler.
    »Michelle Steuwen.«
    Sie zog einen blauen Ringhefter unter der Theke hervor, blätterte ihn auf und fuhr mit dem Finger die Namensreihen hinunter. Hier standen alle Jahreskarteninhaber, mit Namen der Kinder und sonstigen Berechtigten. Als sie sich wieder aufrichtete und mich ansah, schüttelte sie bedauernd den Kopf.
    »Es tut mir leid, Frau Weinz. Der Name steht hier nicht drin. Wenn ich sie sehen würde, dann vielleicht …«
    Mir fiel Michelles Shoppingorgie ein. Ich kramte mein Handy hervor und zeigte Frau Angler das Foto von Olaf und Michelle.
    »War sie hier im Schwimmbad?«
    »Nein.« Frau Angler legte den Kopf schief und blinzelte. »Bei mir nicht. Schade, dass ich Ihnen nicht helfen kann.«
    Wir packten Ringbuch und Wertkassette außer Sichtweite und schlossen die Tür hinter uns ab. Schweigend überquerten wir die Brücke zum Kurpark. Auf dem Parkplatz verabschiedeten wir uns und stiegen in unsere Wagen.
    »Mist. Mist. Mist. Verrannt in eine blöde Idee. Wie eine Anfängerin«, schimpfte ich leise vor mich hin. Am besten würde ich mich nach der Beurlaubung nahtlos aus dem Polizeidienst entlassen. Trotzdem blieb die Frage, wie Michelles Ohrring ins Schwimmbad gekommen war. Wenn es denn tatsächlich das Gegenstück sein sollte. Ich starrte durch die Windschutzscheibe ins Leere.
    Als es an der Scheibe klopfte, zuckte ich zusammen. Auf meinen Knopfdruck hin versank das Glas mit einem leisen Surren in der Fahrertür.
    »Mir geht da was nicht aus dem Kopf!« Frau Angler wirkte aufgeregt. »Kann ich das Bild noch mal sehen?
    »Sicher, ich …«, meine Finger wühlten sich durch die Tasche, »hier, bitte.« Gespannt schaute ich sie an.
    Auf ihrer Stirn erschien eine steile Falte.
    »Haben Sie ein bisschen mehr Licht für mich?«, fragte sie und zog die Brauen zusammen. »Diese Bilder sind so klein, und meine Augen sind nicht mehr so, wie ich sie gerne hätte.«
    Ich knipste die Innenraumleuchte an.
    »Ja, so ist es besser.« Frau Angler beugte sich durch das Fenster zu mir hinüber, näher an den Lichtschein heran.
    »Obwohl«, sie schüttelte den Kopf, »ich … doch! Die Haare sind anders und die Nase, aber wenn …« Sie verstummte wieder und verdeckte mit zwei Fingern Michelles Frisur auf dem Bild. Dann nickte sie. »Genau wie die Mutter sieht sie aus. Dem Schorsch sein Helga.«
    Ich atmete tief ein und versuchte die Ungeduld in der Stimme zu unterdrücken, die meinen Herzschlag zum Rasen brachte.
    »Sie kennen Michelle?«
    »Ja. Es ist zwar lange her, aber: Ja, ich bin mir sicher.« Sie drückte mir das Telefon in die Hand. »Aber diese Frau heißt nicht Michelle oder wie Sie sie nennen, Frau Weinz. Sie heißt Maria. Zumindest hieß sie so, als sie vor vielen Jahren hier in Gemünd wohnte.«
    Obwohl es im Wageninneren über zwanzig Grad waren, kroch Kälte durch meine Knochen und arbeitete sich nach außen bis auf meine Haut vor.
    »Maria Henk?« Eine Frage? Eine Feststellung.
    Frau Angler nickte.
    Eine Welle der Genugtuung rollte durch meinen Körper, stieß den letzten Dominostein um. Die Lücke schloss sich.
    Die abwesende Unbekannte. Alles passte. Ich hatte mich nicht getäuscht. Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen.
    Die Leiter. Wenn Michelle Olaf noch nicht angespornt hatte, sie auf die Müllkippe zu bringen, würde die Spurensicherung erfreut sein. Frau Rostler, der Käfer. Immer war Michelle in der Nähe gewesen. Sie hatte die Gelegenheit. Sie hatte die Möglichkeit. Aber hatte sie ein Motiv? Hatte Maria Henk ein Motiv? Und welche Rolle spielte Olaf in diesem Spiel? Mein Magen klumpte zusammen. Mein kleiner Bruder – ein Mitwisser? Ein Mittäter? Ein Mörder?
    Meine Finger zitterten, als ich das Handy aufhob. Kannte er die Wahrheit über die neue Frau in seinem Leben? War das der Grund für sein aggressives Verhalten? Wollte er sie schützen?
    Das Display blieb dunkel. Ich drückte auf den Startknopf. Vergeblich. Der Akku war leer.
    Ich schloss die Augen. Ich musste eine Entscheidung treffen. Steckte Olaf mit Michelle unter einer Decke, wären sie gewarnt, sobald ich nur einen Hinweis in diese Richtung geben würde. Ahnte Michelle, wie dicht ich ihr auf den Fersen war? Wenn ja, würde Sie nicht davor zurückschrecken, auch Olaf etwas anzutun. Davon war ich jetzt überzeugt.
    Welche Rolle spielte Olaf? Das musste ich herausfinden.
    »Rufen Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher