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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut
Autoren: Elke Pistor
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heute Morgen, was?«
    Ich nickte freundlich. Das musste an Erwiderung reichen.
    »Hab Sie noch nie gesehen hier.« Er ließ nicht locker.
    »Als Kind bin ich im Sommer jeden Tag geschwommen.« Meine Stimme knarrte ein wenig. Smalltalk am frühen Morgen bekam ihr nicht.
    Er musterte mich. »So lange bin ich noch nicht hier.«
    Na wunderbar.
    War es unhöflich, darauf nicht mehr zu antworten? Oder vernünftig? Ich beschloss, dass es mir egal war.
    Das Kassenhäuschen war mittlerweile besetzt. Eine Frau mit dunkler Kurzhaarfrisur und Brille löste konzentriert ein Kreuzworträtsel. Ich räusperte mich, und sie blickte auf.
    »Frau Weinz. Schon fertig mit dem Frühsport?« Sie lächelte und blickte mich freundlich an. Dann lachte sie. Mein Gesichtsausdruck hatte ihr wohl meine Verwirrung gezeigt.
    »Mein Mann, Hans Angler, singt mit Ihrem Vater Hermann im Gesangverein. Daher kenne ich Sie.«
    »Oh.« Mehr konnte ich dazu nicht sagen. Ich kramte den Ohrring heraus und schob ihn durch die Luke im Glasfenster zu Frau Angler hinüber.
    »Den hat wohl jemand verloren.«
    »Ich leg ihn zu den anderen Fundstücken.« Sie drehte den Stein auf dem Geldteller. »Sieht so aus, als ob er was wert wäre.« Sie packte ihn in die Geldkassette. »Ich werde mal aufpassen, wem er gehören könnte.«
    »Danke.« Ich drehte mich um und ging hinaus.
    »Ach, Frau Weinz!«
    »Ja?«
    »Wenn Sie länger bleiben, könnten Sie eine Jahreskarte kaufen! Das ist auf Dauer günstiger.«
    Ich nickte. Vielleicht war das ja wirklich eine Option.
    Der junge Polizist lehnte gegen den Metallzaun des Schwimmbades und sprach in sein Handy, als ich, meine Tasche über die Schulter schwingend, in Richtung der kleinen Brücke ging, die mich durch den Kurpark wieder zu meinem Auto bringen würde. Sollte ich versuchen, Informationen aus ihm herauszubekommen? Ich stoppte, drehte mich um und ging auf ihn zu. Sein Handy piepste in regelmäßigen Abständen und forderte neue Energie. Es war genauso erschöpft wie sein Besitzer.
    »Wird Zeit, dass die Ablöse kommt!« Ich zeigte mit der Hand auf sein Telefon.
    Er nickte, schwieg aber weiterhin.
    Ich ging auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Ina Weinz, Kripo Köln. Ich habe im Ticker von dem Mord gelesen.«
    Er nickte knapp, beachtete meine Hand aber nicht.
    »Wachtmeister Henning Jakobs.« Er betrachtete meine nassen Haare und meine Schwimmtasche. »Sind Sie dienstlich hier?«
    »Nein, ausnahmsweise habe ich mal einen Tag Urlaub und besuche meine Familie hier in Gemünd.«
    Seine Mundwinkel schnellten so kurz nach oben, dass ich es fast nicht wahrgenommen hätte.
    »Dann wünsche ich Ihnen noch eine gute Erholung, Frau Weinz.«
    Ich war entlassen.
    »Ebenfalls, Herr Jakobs, ebenfalls.« Ich ging los, drehte mich noch einmal um und winkte ihm fröhlich zu.
    Mit großen Schritten hastete ich über die Brücke, bog rechts ab, lief unter der Palisade entlang und die wenigen Stufen zu dem Weg hinunter, der den Bachlauf auf der anderen Seite flankierte. Im Kneippbecken dümpelten Blätter auf der glatten Oberfläche. Ein Käfer saß auf dem glänzenden Metall des Laufgriffs und sonnte sich. Ob der Polizist mich gesehen hatte?
    Auf der anderen Seite der Urft versperrten blaue Planen die Sicht auf den Fundort der Leiche. Ich kramte meine Armbanduhr aus der Schwimmtasche. Neun Uhr fünfzehn. Keine Uhrzeit für Spaziergänger. Meine Tasche verstaute ich im Gebüsch hinter dem Becken. Um sicherzugehen, lief ich unter der Brücke hindurch einige Schritte auf dem Weg Richtung der Fußgängerzone, konnte aber niemanden entdecken. Auch auf dem angrenzenden Minigolfplatz herrschte gähnende Leere. Nur ein Eichhörnchen huschte über die Betonbahnen und steckte seinen Kopf in eines der Ziellöcher, vermutlich auf der Suche nach Nüssen. Ich kehrte zu Kneippbecken und Tasche zurück. Im Sommer führte das Flüsschen an dieser Stelle nur wenig Wasser.
    Bevor ich es mir anders überlegen konnte, zog ich meine Schuhe aus und warf sie neben die Tasche. Die Brennnesseln am Uferrand machten ihrem Namen alle Ehre und mir das Leben zur Hölle, als ich mühsam den kurzen steilen Hang hinunterbalancierte. Das Wasser der Urft schoss eisig um meine Waden. Ich schauderte. Zumindest ließ das Brennen nach. Meine Shorts reichten knapp bis zum Oberschenkel. Ich musste also nicht befürchten, nass zu werden, außer natürlich, ich rutschte aus.
    Die glatten Steine unter meinen Füßen waren mit Algen überzogen, die wie lange Fäden im
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