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Gemma

Gemma

Titel: Gemma
Autoren: Petra Last
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so
unter der Knute halten wie Ethel es mit dem armen Cedric tat. Nein, das
entsprach gar nicht Gemmas Geschmack. Lieber wollte sie allein leben und ihr
Leben so gestalten, wie es ihr gefiel.
    Was immer es auch war, das Ethel nun von ihr wollte, sie sollte
dafür eines ihrer neuen Kleider anziehen, die bereits seit einem Jahr ungenutzt
im Schrank hingen, und die anderen einpacken. Und zieh eins mit Ausschnitt
an!, hatte Ethel ausdrücklich gefordert. Zwar hatte Ethel Gemma nicht verraten,
wohin die Reise ging, aber nichtsdestotrotz war Gemma froh über die unerwartete
Abwechslung.
    Gemma erreichte den Fuß der Treppe und verharrte kurz vor dem
Spiegel in der Eingangshalle, um sich selbstkritisch zu betrachten. Erst beim
Ankleiden war ihr aufgefallen, dass ihr Körper sich seit dem Kauf der Kleider
doch mehr verändert hatte, als ihr bewusst geworden war. Zwar passten ihr die
Kleider nach wie vor, aber das Dekolleté schien enger geworden zu sein. Noch
einmal versuchte Gemma, den Rand des Kleiderausschnitts ein wenig höher zu
ziehen, damit er ein wenig mehr der cremig-weißen Fülle ihres Busens verbarg,
aber vergeblich. Warum nur hatte Tante Ethel auf einem der ausgeschnittenen
Kleider bestehen müssen?, dachte Gemma unglücklich. Sie hatte einige so
hübsche, die zudem ihren Busen nicht so schamlos zur Schau stellten.
    Sie verfluchte außerdem die Tatsache, dass sie
die letzten Tage im Freien verbracht hatte und dass die Sommersprossen wie
kleine dunkle Punkte auf ihrer Nase tanzten. Egal, sie würde es jetzt sowieso
nicht mehr ändern können. Sie schob eine widerspenstige Haarsträhne zurück in
den Knoten an ihrem Hinterkopf und setzte den Hut auf. Wie verlangt, hatte sie
das Beste aus ihrer Erscheinung gemacht, da konnte Ethel ihr keinen Vorwurf
machen. Gemessenen Schrittes ging sie zur Tür und hinaus zur wartenden Kutsche.
    Die Truhe, die sie vor so vielen Jahren von ihrem Vater bekommen
hatte, beinhaltete jetzt ihre Kleider und war fest auf dem Dach verschnürt.
    »Wohin fahren wir?«, fragte sie ihre Tante, nachdem sie sich auf
dem Sitz niedergelassen hatte. Überrascht hatte sie festgestellt, dass Cedric
sie begleitete, etwas, das er gar nicht gerne tat.
    »Das wirst du schon noch früh genug erfahren, du vorlautes Ding«,
wies ihre Tante sie zurecht, und Gemma zog es vor zu schweigen. Beim Einsteigen
hatte sie Brad, den Stallknecht, auf dem Kutschbock sitzen sehen. Da sie
diesmal mit der Kutsche ihrer Tante fuhren, sollte sich Brad anscheinend um die
Pferde kümmern, wenn sie ihr Ziel erreicht hatten. Sie war nur froh, dass sie
jemanden hatte, mit dem sie sich zur Not dort unterhalten konnte. Sie hatte
viele Freunde unter den Dienstboten gefunden, aber mit Brad verstand sie sich
am besten.
    Wie viele Stunden hatte sie in seiner
Gesellschaft verbracht? Wann immer sich eine Möglichkeit ergeben hatte, dem
Haus und seiner bedrückenden Atmosphäre zu entkommen, war Gemma in die
Stallungen entschwunden, um sich mit Brad zu unterhalten, zu lachen oder von
einem anderen Leben zu träumen. Schon früh zur Waise geworden, hatte Brad
Sullivan vor Jahren Anstellung als Stalljunge bei Cedric Robbins gefunden. Er
konnte wundervoll mit Tieren umgehen, mit großen und auch kleinen. Es gab
immer eine Vielzahl von Katzen in den Ställen und den
Hofhund, und nur selten traf man Brad ohne die Begleitung eines seiner Schützlinge
an. Er verstand sich mit allen Kreaturen, und seine ruhige, besonnene Art war
es gewesen, die auch Gemma in seine Nähe gelockt hatte. Brads ausgeglichenes
Wesen hatte entscheidend dazu beigetragen, Gemma ihre Trauer überwinden zu
lassen und aus ihr wieder das fröhliche, wenn auch nicht gänzlich unbeschwerte
junge Mädchen werden zu lassen, das sie heute war. Gemeinsam hatten sie die
Natur erkundet, Frösche gefangen und Vögel beobachtet. Brad hatte Gemma auf
ihr Drängen hin gezeigt, wie man mit einem Messer umging, auch wenn er lachend
meinte, dass sie dieses Wissen wohl niemals würde brauchen können, und im Gegenzug
hatte sie ihn das Lesen und Schreiben gelehrt. Oder sie hatten einfach auf dem
ungestürzten Baum am Fluss gesessen und von ihrer Zukunft geträumt. Es war gut
gewesen, jemanden zu haben, dem man alles erzählen konnte, ohne ausgelacht oder
verspottet zu werden, und Gemma hoffte, dass sich am Ziel ihrer Reise die
Gelegenheit ergab, ein wenig Zeit mit Brad zu verbringen.
    Die Fahrt
dauerte mehrere Stunden, und als sie endlich die lange Auffahrt zu ihrem Ziel
hinauffuhren, glaubte
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