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Gemeingefährlich: Eine Erzählung aus der Weltraumserie Lucy (German Edition)

Gemeingefährlich: Eine Erzählung aus der Weltraumserie Lucy (German Edition)

Titel: Gemeingefährlich: Eine Erzählung aus der Weltraumserie Lucy (German Edition)
Autoren: Fred Kruse
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sprach die pure Angst. Eine solche Panik, wie in diesem Gesichtsausdruck, hatte Gurian bisher noch nicht gesehen. Vorsichtig erhob er sich.
    »Hallo du, ich bin ganz harmlos«, rief er und kam sich dabei ungeheuer lässig vor.
    Sein Ausspruch wirkte allerdings nicht so, wie er es beabsichtigt hatte. Das merkwürdige Mädchen drehte sich um und rannte, als wäre ein Teufel hinter ihm her. Bevor Gurian darüber nachdenken konnte, setzten sich seine Beine schon in Bewegung.
    »Nun warte doch! Ich tue dir doch nichts! Lass uns miteinander reden!«, rief er, während er den gewaltigsten Sprint seines bisherigen Lebens hinlegte.
    Er dachte nicht darüber nach, dass er die Panik des armen, verstörten Mädchens durch seine wilde Verfolgungsjagd noch ins Unendliche steigerte. Das war wirklich nicht seine Absicht. Er konnte auch später nicht mehr sagen, was er genau in diesem Moment gedacht hatte. Er konnte sich als Einziges hinterher daran erinnern, dass dort plötzlich ein Wesen vor ihm stand, dass er um alles in der Welt kennenlernen musste.
    Das Mädchen sah das offensichtlich anders. Sie rannte immer tiefer in das Wäldchen hinein. Sprang über abgestorbenes Gehölz, kämpfte sich durch Gebüsch. Äste schlugen ihr ins Gesicht und an verschiedene andere Stellen des Körpers. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich nicht in Wäldern auskannte. So holte Gurian ständig auf, obwohl er sich auch noch nie als großer Waldläufer hervorgetan hatte.
    »Nun warte doch!«, keuchte er. »Ich tu dir doch nichts!«
    Aber das Mädchen hörte nicht auf ihn. Verzweifelt kämpfte es sich vorwärts, bis es über eine alte, modrige Baumwurzel stolperte und lang hinschlug. Bevor es wieder auf die Beine kommen konnte, war Gurian über ihm. Automatisch hielt er es fest.
    »Nun beruhige dich doch.« Sein Atem ging keuchend. »Ich tue dir nichts. Auch wenn es nicht so aussieht, wir sind hier mitten in der Zivilisation.«
    Das Mädchen starrte ihn entsetzt an. Tränen traten ihm in die großen Augen. Der magere Körper zitterte erbarmungswürdig unter Gurians Händen. Erst in diesem Moment wurde Gurian bewusst, dass das Mädchen nicht so aussah, als würde es aus der imperianischen Zivilisation stammen.
    »Kommst du aus den Kolonien?«, fragte er. »Jagen dort Männer Frauen? Hast du deshalb solche Angst?«
    Kaum hatte er seine Fragen ausgesprochen, wurde ihm seine Dummheit bewusst. Menschen aus den Provinzen, die noch im Metallzeitalter oder gar in der Steinzeit lebten, besaßen keine Raumschiffe und erst recht keine Transferstationen. Wie sollte jemand von dort nach Parad kommen.
    Das Mädchen sah ihn verständnislos an. Gurian wusste nicht, ob es nicht antwortete, weil es ihn nicht verstanden hatte oder weil es vor Angst keinen Ton herausbrachte. Ihre Haut fühlte sich schrecklich kalt unter seinen Händen an und sie zitterte am ganzen Körper. In ihrem extrem blassen Gesicht zeichnete sich eine rote Schramme ab, die sie sich zugezogen hatte, als sie durch die Büsche geflohen war.
    Sie trug ein Kleidungsstück, wie Gurian es noch nie gesehen hatte. Es bestand aus einem groben, vergilbt wirkenden Stoff. Einfache Knöpfe verschlossen es an der Vorderseite. Die Äste von Sträuchern und Bäumen hatten ihr die beiden obersten Knöpfe während der Flucht abgerissen. Ihre linke Schulter sowie ihre linke Brust bis kurz vor der Brustwarze waren unbedeckt.
    Gurian hatte in seinem ganzen Leben noch keinen so dünnen Menschen gesehen. Die Knochen zeichneten sich unter der Haut ab. Die Brust war klein und sah fest aus. Der Junge starrte ein wenig zu lange auf die nackte Haut. Als ihm sein Fehler bewusst wurde, sah er dem Mädchen schnell wieder in die Augen.
    »Ich lasse dich jetzt los, aber versprich mir, dass du nicht wegläufst. Ich bin sowieso schneller als du.« Gurian interpretierte den stummen, flehenden Blick des Mädchens als Zustimmung und ließ ihre Arme los.
    »Nun sag schon! Woher kommst du?«, fragte er.
    »Bitte, nicht zurückbringen«, stammelte das Mädchen.
    »Wohin soll ich dich nicht zurückbringen?«
    Das Mädchen zitterte stärker, blieb aber stumm.
    »Verdammt, nun sag schon!«, schnauzte Gurian, dem das Versteckspiel langsam zu viel wurde.
    Das war keine gute Idee. Dem Mädchen rollten die Tränen, die ihr ohnehin in den Augen standen, über die Wangen.
    »Bitte«, flüsterte sie jämmerlich. »Ich habe es doch nicht gewollt. Ich mache so etwas nie wieder. Sag mir, was ich tun soll und wie ich es richtig mache. Ich werde
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