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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nicht behaupten, ich hätte mir die Hände so gründlich geschrubbt, wie man’s aus Emergency Room kennt, aber die Richtung stimmte. Ich wollte nicht das Blut eines Toten an mir haben; nennt mich ruhig pingelig.
    Ich sah mich kurz im Spiegel. Von weiß der Teufel woher kam mir dieser Ausdruck in den Kopf: Du siehst aus wie eine Leiche auf Urlaub. Meine Haut wirkte grau und fahl, meine hohlen Wangen erinnerten an Peter Cushing. Ich konnte noch darüber hinwegsehen, dass ich eine Rasur und einen neuen Haarschnitt brauchte und mich besser um meine Ernährung kümmern musste, aber der Mann vor mir war jemand, den ich nicht wiedererkannte.
    »Wer oder was verfolgt dich, Gus Dury?«
    Das Wort gescheitert könnte mein Leben umfassend beschreiben. Was mich jedoch schockierte, war, dass ich diesen Zustand offenbar auch der Welt gegenüber vermittelte.
    Ich berührte mein Gesicht. Wann war meine Haut so ledrig geworden? Als ich ein kleiner Junge war, hatte Clint Eastwood eine solche Haut gehabt. Was war aus mir geworden? Ich wollte gar nicht hinsehen, aber etwas hielt meinen Blick wie gebannt auf der gleichen Stelle.
    Ich hatte schwarze Ringe unter den Augen. Als ich noch Schreiberling war, in früheren Jahren, sagte meine Frau immer – streichen: Exfrau; ich hatte kürzlich die Papiere erhalten, die das belegten –, ich hätte Panda-Augen, wenn ich zu lange arbeitete. Ich fragte mich, was sie wohl zu diesen Dingern gesagt hätte. Die vorherrschende Farbe war Rot, wo eigentlich Weiß sein sollte, mit ein paar gelben Einsprengseln hier und da.
    »Das ist mal ein gutes Aussehen, Kumpel«, sagte ich in den Spiegel. »Neben dir sieht der Seitenlinien-Chaot Alex Ferguson ja richtig blendend aus.«
    Ich wandte mich ab. Genau wie Debs. Wir hatten erst vor kurzem versucht, unsere Ehe wieder zu flicken, hatten voller hochgeschraubter Erwartungen einen kurzen Trip nach Irland gemacht, aber meine Selbstzerfleischung hatte ihr Angst gemacht; sie sagte, sie könne nicht zusehen, wie ich Selbstmord auf Raten beging. Ich wusste, dass ich mich nicht ändern konnte, aber gleichzeitig war mir auch klar, dass ich Debs nicht noch mehr Schmerz zufügen konnte. Das hatte ich schon zur Genüge getan.
    Ich packte meine Klamotten zusammen, ging damit nach oben in meine Wohnung und warf alles in die Schmutzwäsche.
    Ich duschte so heiß, wie ich es gerade noch aushielt, fast eine ganze Stunde lang. Zog mir eine Levi’s an, ausgefranst und verschossen, weißes T-Shirt und eine schwarze Strickjacke von Markies. Sah aus wie ein Jazzmusiker, sagte: »Nicht schön!«
    Mein Problem war das Schuhwerk. Meine Docs waren hinüber, strotzten nur so vor Blut und Dreck. Mir blieb nur noch ein altes Paar Converse All Stars. An den Kanten waren Löcher. Ich konnte deutlich meine Mutter sagen hören: »Die haben aber auch schon bessere Zeiten erlebt.« Ich dachte, haben wir das nicht alle?
    Ich ging runter in die Kneipe, schnappte mir ein Päckchen B&H aus dem Regal, steckte mir eine an. Der blaue Qualm wirkte wie Balsam. Seit dem Verbot waren Kneipen irgendwie anders, hatten nicht mehr dieselbe … Atmosphäre.
    Ich genehmigte mir ein schönes Pint Guinness. Ließ mir erheblich weniger Zeit mit dem Schnäpschen zum Runterspülen, das ja eigentlich auch eher eine Vorspeise war.
    Beinahe fühlte ich mich richtig wohl – nach einer guten Dusche und mit frischen Klamotten bekommt man schon mal das Gefühl, ein neuer Mensch zu sein –, als Mac hereinkam. Ohne Umschweife erinnerte er mich daran, dass ich in einer Welt voller Scheiße lebte.
    »Mit dir alles okay?«, fragte er.
    »Ach, du weißt schon … eigentlich wie immer.«
    »Einigermaßen angetrunken.«
    »So ungefähr, ja … Der Hund, wie ist es gelaufen?«
    »Diese kleinen Scheißkerle.« Mac tat, als würge er jemanden. »Ich schwöre, falls ich die jemals in die Finger kriege, brauchen sie anschließend Fotos, um sie wieder zusammenzusetzen.«
    Er machte keine Witze. Ich leerte mein Guinness. »Tja, und? Wird der Hund wieder?«
    »Schwer zu sagen, die haben ihn geröntgt und alles. Der Tierarzt meinte, so was ist heutzutage leider schon Alltag geworden.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wann wissen wir Bescheid?«
    »Sagt, wir können morgen anrufen … Kann man sonst nichts machen, Gus.«
    Er hatte recht. Die Ereignisse der vergangenen Nacht schienen mich mit einem Mal zu erdrücken. Ich war froh zu wissen, dass der Hund es schon mal bis hierher überlebt hatte, empfand darüber eine tiefe Erleichterung.
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