Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
Pisser!«
    Etwas knallte mir seitlich gegen den Kopf, dann ein Schlag gegen die Schulter. Es schien ein paar Sekunden zu dauern, bis ein alles verzehrender, stechender Schmerz an diesen beiden Stellen aufblühte, aber als es so weit war, wischte ich ihn beiseite, wie man Fliegen verscheucht.
    Ich nahm den Burschen ins Visier, der dem Hund am nächsten war. Er war groß, mindestens eins achtzig, aber dünn wie eine Bohnenstange – schmale Schultern und dank Akne eine Haut wie ein Streuselkuchen. Er trug einen weißen Kapuzenpulli, den ich selbst im Dunkeln prima ausmachen und packen konnte. Blitzschnell riss ich sein Gesicht nach unten, meinem Stiefel entgegen.
    »Wie schmeckt das, Arschgesicht?«
    Ich verpasste ihm ein paar fette Tritte, bevor ich zwei Blitze auf meinem Rücken einschlagen spürte, genau zwischen den Schulterblättern. Ich ließ den schlaksigen Pisser los und riss die Hände hoch.
    Das muss ich ihnen lassen: Sie waren zäh. Packten meine Arme und machten sich mit Fäusten über mich her. Ich schätze, Schlägereien waren ihnen kein Fremdwort. Die Fäuste kamen schnell und hart, gerade Haken, dazwischen immer wieder mal ein Tritt. Ich brauchte eine Weile, um mich wegzurollen, aber ich schaffte es rechtzeitig genug, um den Großen zu erwischen, der gerade ansetzte, auf meinen Kopf zu springen.
    Ich wich zurück. Er verfehlte mich, landete auf dem Hintern.
    Die beiden anderen sahen ihn fallen, und ich nutzte meine Chance, wieder auf die Beine zu kommen. Sobald ich stand, ließ ich ein paar schnelle Rechte los, schlug einem von ihnen das Licht aus.
    Die beiden auf dem Boden rutschten auf den Hintern rückwärts weg.
    Ich stand vor den Autoscheinwerfern. »So, ihr perversen kleinen Wichser, wollt ihr mal den Vater aller Schmerzen kennenlernen?«
    Ich hob die Gewehre auf, gab ihnen damit was auf die Nuss, hörte sie brüllen und johlen. »Jetzt sind wir auf einmal gar nicht mehr so knallhart, was?«
    »Mister, verpiss dich.«
    »Genau der bin ich, Mr. Verpiss-dich … Und wie geht’s euch jetzt?«
    Der Hund winselte. Ich hörte, wie er verzweifelt versuchte, sich zu befreien, immer noch blind vor Panik.
    Ich nahm die Läufe der Waffen, verbog sie unter meinen Doc Martens und schmiss sie auf den Boden. Als ich zu dem Hund hinüberging, versuchte ich, so wenig bedrohlich wie möglich zu wirken; das Tier hatte jämmerliche Angst. Die Verletzungen sahen nicht allzu schlimm aus, aber, mein Gott, ich war überrascht, dass er nicht vor blanker Furcht gestorben war.
    Ich bückte mich, hielt ihm meine geöffnete Handfläche hin. »Ist ja gut … alles wird gut, mein Junge.«
    Ich kam bis auf einige Zentimeter an den Hund heran, als ich einen schweren Schlag auf dem Rückgrat spürte.
    »Du hältst dich für hart, ja? Denkst, du könntest dich mit Typen wie uns anlegen, ja?«
    Der zweite Schlag warf mich ins Unterholz. Ich rollte ein Stück weit, fünf oder vielleicht auch zehn Meter, blieb dann unter einem Baum liegen. Ich dachte, ich wäre auf Scheiße gelandet – es roch so. Ich drehte mich um, griff hinter mich, versuchte mich aufzustemmen, rutschte aber auf etwas aus, was sich nass anfühlte, schleimig.
    Als ich den letzten Versuch machte, mich vorsichtig aufzurichten, tauchte Bohnenstange vor mir auf, hielt einen Ast hoch, als wär’s eine Keule, bereit, mir den finalen Schlag auf die Glocke zu verpassen. Ich spürte, wie meine Hände wieder abrutschten, keinen Halt fanden. Ich dachte, das war’s dann wohl, ich bin geliefert.
    »Heilige Scheiße!«, stieß der Halbstarke aus. »Gottverdammte heilige Scheiße!«
    Er ließ den Knüppel sinken, und dann tauchten hinter ihm seine Kumpels auf. »Komm, lass uns von hier verschwinden.« Sie zerrten an seinem weißen Kapuzenpulli, packten seine Arme.
    »Ist der tot?«, fragte er.
    »Klar, Mann … sieh dir den Kerl doch an!«
    Sie schienen mich anzusehen. Das Problem war nur, ich fühlte mich überhaupt nicht tot. War so der Tod? Nein, niemals. Es fühlte sich viel zu sehr wie Leben an, was dann aber auch wieder ein deprimierender Gedanke war.
    Erneut versuchte ich mich zu befreien und schlitterte sofort zurück. Was immer es war, ich schien auf einem sehr glitschigen Untergrund gelandet zu sein. Ich hörte die Halbstarken durchs Unterholz hetzen, drehte mich um und wuchtete mich vom Boden hoch.
    Als ich nach unten blickte, ergab mit einem Mal alles erheblich mehr Sinn.
    Ich war auf einer Leiche gelandet. Meine Hände waren beschmiert mit dem Blut eines Toten.

I
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher