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Gelöscht (German Edition)

Gelöscht (German Edition)

Titel: Gelöscht (German Edition)
Autoren: Teri Terry
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ich muss mich aufs Laufen konzentrieren. Links vom Weg wächst eine hohe Hecke und rechts erstrecken sich abschüssige Felder mit irgendwelchen abgestorbenen Stoppeln. Der Pfad wird schmaler und Amy lässt Jazz los, hält mich aber weiterhin an der Hand fest.
    Jazz protestiert, doch Amy sagt: »Sei still, Dummkopf«, also geht er voran.
    Wir laufen immer höher und ich gerate außer Atem.
    Hecken und Felder werden von Bäumen abgelöst und ich sauge die Farben der Natur ein: orangefarbene und rote Blätter, braune und graue Stämme – manche mit roten Beeren und dornigen grünen Blättern, die stechen, wenn man sie berührt. Sind das Stechpalmen?
    »Zum Ausblick geht’s hier entlang, Ladys«, sagt Jazz.
    Wir biegen um eine Kurve und blicken über Wälder und Felder, hinab auf Dächer, Gärten und Straßen in der Ferne.
    »Schau, Kyla«, sagt Amy. »Von hier aus kannst du das ganze Dorf überblicken. Da wohnen wir – siehst du’s? Das zweite Gebäude von links.« Sie zeigt auf ein Haus und ich erkenne das Ziegeldach und die Backsteinwände.
    Wir setzen uns auf einen gefällten Baumstamm. Jazz legt mit einem leicht frustrierten Gesichtsausdruck seine Arme von hinten um Amy. Allmählich beschleicht mich das Gefühl, dass sie hier normalerweise allein herkommen.
    Sie knufft ihn mit dem Ellbogen in die Rippen.
    »Und, Kyla, wie kommst du mit dem Drachen klar?«, fragt Jazz.
    »Dem Drachen?«
    »Er meint Mum«, sagt Amy.
    »Äh …«
    »Du musst gar nicht weitersprechen, ich verstehe voll und ganz! ›Äh‹ – das bedeutet, dir ist bereits aufgefallen, dass sie keine heilige Mutterfigur ist wie angekündigt, sondern in Wirklichkeit ein Feuer speiendes, mythisches grünes Biest.«
    Ich muss kichern.
    »Das ist nicht fair«, sagt Amy. »Mum ist nicht so schlimm, du musst sie nur erst kennenlernen. Ich hab mich zuerst vor ihr gefürchtet, aber dann war sie plötzlich ganz in Ordnung.«
    »Weißt du, was ich so verrückt an der Sache finde? Dass ihr sie beide von Anfang an ›Mum‹ nennt«, sagt Jazz.
    »Warum ist das verrückt?«, frage ich.
    »Na ja, du hast sie doch gerade erst kennengelernt, oder nicht?«
    Amy schüttelt den Kopf. »Das macht keinen Unterschied. So bekommt man es im Krankenhaus vom ersten Tag an beigebracht. Dass deine Mum und dein Dad kommen werden, um dich nach Hause zu holen.«
    »Ein Kind wie aus dem Katalog«, sagt Jazz und duckt sich, als Amy sich umdreht, um ihm eine zu scheuern.
    »Wir sind also anders als alle anderen«, sage ich.
    »Einzigartig«, meint Amy.
    »Mein ganz besonderes Mädchen«, sagt Jazz und küsst sie auf die Wange.
    »Von uns gibt es nur zwei im Dorf«, erzählt Amy. »Deswegen bin ich ja auch so froh, dass du zu uns gekommen bist. Jetzt bin ich nicht mehr die Einzige. An unserer Schule gibt es aber noch ungefähr zwölf andere, von praktisch überall her.«
    Mit einem Blick auf seine Uhr und einem Fluch auf den Lippen springt Jazz auf und verschwindet ohne ein weiteres Wort den Pfad hinunter, auf dem wir heraufgekommen sind.
    »Seine Eltern haben einen Bauernhof. An manchen Tagen muss er nach der Schule dort aushelfen. Wir nehmen den langen Weg zurück«, beschließt Amy und wir gehen in die andere Richtung los. »Aber mal im Ernst – wie bist du heute mit Mum klargekommen? «
    Ich zucke mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass sie mich mag. Aber warum nimmt sie mich überhaupt auf, wenn sie mich eigentlich gar nicht haben will?«
    »Sie will dich bei uns haben, da bin ich mir sicher. Sie zeigt es nur nicht. Das ist ziemlich kompliziert.«
    »Einfach ist doch schon schwierig genug. Wer braucht denn da auch noch kompliziert?«
    »Mach dir darüber jetzt mal keine Sorgen. Aber eins noch: Manchmal nimmt Mum Dinge nicht wahr, wenn du sie nicht deutlich genug aussprichst. Hab keine Scheu davor, ihr offen zu sagen, was du denkst.«
    Der Pfad wird steiler und Amy geht voran. Ich muss mich beim Abstieg wieder auf meine Füße konzentrieren und denke daran, was sie über Mum erzählt hat – über den Drachen, wie Jazz sie genannt hat.
    »Ist Jazz dein Freund?«
    »Ja. Aber erzähl Mum nichts davon. Sie mag ihn nicht.«
    Jazz, er hat mir vorgesungen. Sweet sixteen and never been kissed . Oder wurde ich schon geküsst? Wenn ich mich nicht daran erinnern kann, zählt es dann?
    »Mir wurde im Krankenhaus sehr deutlich eingeschärft, Jungs aus dem Weg zu gehen. Sie bringen nur die Levo-Werte durcheinander. «
    »Oh ja, das tun sie wirklich!« Amy lacht. »Wahrscheinlich ist es
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