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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt
Autoren: Len Deighton
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Licht des einzelnen Scheinwerfers erfaßte sein Gesicht. Von seinem Standpunkt aus sah Thurkettle beide Männer deutlich und konnte sie zweifelsfrei identifizieren: ja, Erich Stinnes und Harry Kennedy.
    Dann kam Fiona Samson nach vorne. Irgendein Instinkt oder verständliche Furcht ließen sie die Helligkeit meiden.
    London mußte sie instruiert haben, auf den Kombiwagen zuzugehen, denn sie ging, an den Männern vorbei, auf diesen zu, als zwei Schüsse abgefeuert wurden. Sie kamen von irgendwo so sehr in der Nähe, daß Thurkettle das Geräusch unter die Haut ging. Fiona Samson verschwand. Verdammt!
    Peng! Irgendeine verdammt große Handfeuerwaffe.
    Kennedy sprang zurück, seine Arme schlenkerten wie die einer Stoffpuppe, während er in den Schlamm plumpste, wo er still wie ein Bündel Lumpen liegenblieb. Er war unverkennbar tot.
    Manchmal geht das so, ein glücklicher Zufall, und ein Schuß ist genug. Peng. Noch einmal knallte die Kanone. Stinnes

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    drehte sich herum, schoß mit einer Hand seine Pistole ab, während er sich mit der anderen an den Hals griff, wo ihm das Blut durch die Finger spritzte. Es verteilte sich überall und besudelte Fiona. Dieser Schuß belehrte Thurkettle, daß er’s hier nicht mit glücklichen Zufällen zu tun hatte. Da war jemand, ein ihm zu verdammt naher Jemand, der in aller Stille auf eine der schweren Maschinen geklettert war, um sich bessere Übersicht zu verschaffen. Irgendein kaltblütiger Jemand, der nicht »Hände hoch« sagte, jemand, der Schießen nicht auf dem Schießstand so gut gelernt hatte: Samson.
    Thurkettles Mund wurde trocken. Er hatte es sich zur Regel gemacht, sich nie mit Profi-Killern anzulegen oder mit Geheimdienstprofis wie Samson. Es war schlimm genug, gegen diese KGB-Schläger anzutreten, aber Samson war absolut der letzte, mit dem er’s zu tun kriegen wollte.
    Der noch intakte Scheinwerfer des Wartburg wurde abgeschaltet. Es war jetzt dunkel, bis auf die Scheinwerfer vorbeifahrender Wagen, die über den Schlamm, die Trümmer und Leichen streiften. Thurkettle erstarrte und hoffte, nicht bemerkt worden zu sein. Weder Bernard Samson noch seine Frau war von Thurkettles Rolle in dem Drama unterrichtet worden. Nur Tessa und Stinnes hatten ihn hier erwartet, und sie waren beide tot.
    Thurkettle duckte sich hinter die Raupen des Bulldozers und sah zum östlichen Horizont hinüber. Bald würde es dämmern.
    Er wollte nicht mehr hiersein, wenn es hell wurde. Jeder auf der Autobahn vorüberkommende Fahrer konnte ihn bemerken.
    Die Bullen konnten auftauchen. »Wollen Sie die ganze Nacht hier warten, Samson?« rief er endlich. »Sie können die Frau und den Ford nehmen und abhauen. Nehmen Sie Ihren Gorilla auch mit. Ich will von keinem von Ihnen was.« Als noch immer niemand antwortete, rief er: »Hören Sie mich? Ich arbeite für Ihre Seite. Machen Sie, daß Sie wegkommen. Ich habe hier noch was zu erledigen.«

    - 406 -
    Das war ein Vertragsbruch, aber nur ein geringfügiger. Die beiden Samsons waren auf der Seite seines Auftraggebers. Bis die beiden von ihren Leuten vernommen wurden, würde Thurkettle längst sein Geld haben und über alle Berge sein.
    Fiona Samson wäre einfach sitzen geblieben, wenn sie nicht ihre ganze Willenskraft aufgeboten hätte, auf die Füße zu kommen. Irgend etwas in ihr war zerrissen. War dies der Zusammenbruch ihres Willens, den sie schon seit so langem fürchtete? In ihrem Kopf war ein Geräusch, das sie nicht kannte. Es löschte ihre Gedanken aus und verzerrte ihr die Sicht. Sie wußte nicht, wer sie war, und konnte sich nicht erinnern, wo sie hätte sein sollen. In der schlaffen Haltung einer Schlafwandlerin tauchte sie aus der Dunkelheit auf. Mit Blut bespritzt, bewegte sie sich über den weichen Boden stolpernd, Schritt für Schritt auf den Ford-Transit zu. Sie war vollkommen gelähmt, seitdem sie hatte mit ansehen müssen, wie der liebe gute Harry, den sie liebte, so brutal niedergeschossen wurde, nicht von einem rächenden Ehemann, sondern von einem professionellen und gleichgültigen Jemand.
    Tessa auch. Die Schwester, die sie mehr liebte, als sie sagen konnte, lag tot in einer Blutlache. Dies war das Jüngste Gericht, das sie mit solchem Schrecken entdeckt hatte. Hier waren die Ungeheuer, die sie nun in alle Ewigkeit quälen würden. Von Sünde gepeinigt, war sie jenseits der gemütlichen Welt des Pariser Platzes in den blutigen Alptraum an der Wand getreten, und daraus gab es kein Entkommen. Mit betäubtem Geist und an
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