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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Autoren: Kristin Ganzwohl
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mir?«
    Er lacht auf – es klingt wie ein Schrei.
    »Was wäre ich froh, wenn es so wäre«, sagt er. »Nein, es ist schlimmer, viel, viel, viel schlimmer.«
    Drei Mal »viel«. Ich lasse mich auf die Couch fallen, wickele mich in meine Felldecke. Mir ist es trotz voll aufgedrehter Heizung kalt.
    »Ich halte es nicht mehr aus. Rück endlich damit heraus.«
    »Wenn du es weißt, wird sich alles ändern. Ich werde nicht mehr dieselbe Person sein für dich. Und du wirst einige Dinge besser verstehen, die zwischen uns passiert sind und die dir vielleicht komisch vorgekommen sind.«
    »Komisch vorgekommen« waren mir tatsächlich ein paar Erlebnisse mit ihm. Wie etwa die Begegnung im Englischen Garten, bei einem Sonntagsspaziergang. Da war uns dieses Pärchen entgegengekommen: Er um die vier zig, Lederjacke, Rolex, eine Goldkette, die im angegrauten Brusthaar versank; sie knapp über zwanzig, sehr lang haarig, langbeinig und lipglossig, in Stretchjeans und auf Zehn-Zentimeter-Absätzen, die für einen Spaziergang völ lig ungeeignet waren.
    »Isch glaub das nicht, der Claus, das alte Haus!«, rief der Goldkettenbrusthaarträger und breitete die Arme aus.
    Das Langbein schwieg und lächelte mit Lipgloss-Lippen.
    »Wladi!«, rief Claus.
    Sie umarmten sich. Das Langbein lächelte weiter.
    »Wladi, darf ich vorstellen, das ist Kristin«, sagte Claus. Wohlerzogen wie immer.
    »Hallo Wladi«, sagte ich.
    Wladi sagte nichts, sondern nickte nur kurz ungefähr in meine Richtung. Seine Begleiterin blieb ohne Namen. Sie lächelte trotzdem tapfer weiter.
    »Wie geht’s denn so?«, fragte Claus.
    »Muss ja«, sagte Wladi.
    »Und, wie laufen die Geschäfte?«
    »Müssen ja«, sagte Wladi.
    Ich kam mir vor wie in einer Comedy-Sendung.
    »Was macht der Sport?«, fragte Claus.
    »Nicht mehr so viel. Zu wenig Zeit. Zu viel Arbeit, kennste ja.«
    »Klar, kenn ich.«
    »Aber du, immer noch der Topsportler, was?«
    »Ja, ja, immer. Muss ja.«
    »Deinem Mann kann keiner das Wasser reichen – zumindest beim Sport«, sagte Wladi zu mir und grinste.
    »Hahaha«, machte Claus und wurde rot.
    »Doch, doch, bist ’n Guter.« Und dann zu mir: »Hast ’n guten Mann erwischt. Vergiss das nicht.«
    Ich überlegte, was ich darauf erwidern könnte. Mir fiel nichts ein.
    Wladi wandte sich zum Gehen, zog das Langbein hinter sich her.
    »Dann noch einen schönen Nachmittag!«, rief Claus.
    »Ciao«, murmelte ich.
    »Gleichfalls. Bleib senkrecht!«, sagte Wladi über seine Schulter hinweg.
    Fünfzig Meter weiter konnte ich mich nicht mehr halten und gackerte los: »Der Claus, das alte Haus! Wie geht’s? Muss ja. Wie laufen die Geschäfte? Müssen ja. Bleib senkrecht! Was war das denn? Versteckte Kamera? Oder bist du nebenberuflich im Rotlichtmilieu tätig? Woher kennst du denn diese Zuhälter-Pappnase?«
    Claus hustete.
    »Kein Zuhälter«, sagte er. »Import-Export. Und ich kenne ihn vom Sport.«
    »Der macht Triathlon?«, fragte ich ehrlich erstaunt.
    »Nein, nein, vom Krafttraining.«
    »Und ich dachte immer, in meinem Fitnessstudio seien eigenartige Typen«, sagte ich.
    »Ja, da siehste mal. Ich bin gar nicht so langweilig und konservativ, wie du gedacht hast.«
    »Natürlich nicht«, sagte ich und schob meinen Arm um seine Hüfte. »Du bist Cowboy Claus, das alte Haus.«
    »Komisch vorgekommen« war mir auch das Essen bei Claus’ besten Freunden, Anna und Thorsten. Insgesamt zehn Leute waren eingeladen. Ich kannte keinen, er alle. Der sehr dicke Rainer, die sehr schwangere Susanne, der sehr gut aussehende Bernd, die sehr blonde Löckchen- Berit, der Sprücheklopfer Wolfgang, die sofort beschwipste Johanna – ich versuchte, mir alle Namen so schnell wie möglich einzuprägen. Es war ja die Premiere, die Feuertaufe. Ich war aufgeregt, hatte vorher lange überlegt, was ich anziehen, was erzählen sollte. Denn natürlich wollte ich, dass mich seine Freunde mögen, interessant, sympathisch, locker und attraktiv finden.
    Noch nervöser machte mich, dass Claus vor der Einladung mindestens ebenso angespannt schien wie ich. Denkt er, dass ich ihn blamiere, oder was?, fragte ich mich.
    Hinterher erzählte ich Hannah, dass alles sehr nett gewesen sei. Es hatte Wildschweinhaxe, Salat und Kartoffelgratin gegeben. Ich hatte angeboten, Nachtisch mitzubringen, mein berühmt-berüchtigtes Tiramisu. Es war kein Krümelchen übrig geblieben, und keiner hatte Witze über das gar nicht mehr hippe, typische Neunzigerjahre-Dessert gemacht. Wir hatten über neue Filme
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