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Geliebter Feind

Geliebter Feind

Titel: Geliebter Feind
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sie an Claires Seite und lauschte auf den unaufhaltsam näher kommenden Schlachtenlärm.
    Die Dämmerung kroch über den Horizont, und die Schatten der Dunkelheit, die finsteren Schleier des Todes, wehten in das Gemach. Elaine fühlte, wie die Kraft aus Claires Hand wich, und sie wußte, daß ihre Freundin in den ewigen Schlummer gesunken war.
    Der Schmerz war viel zu groß für Tränen. Liebevoll legte Elaine Claires Hände zusammen und hoffte inständig, daß man ihr ein christliches Begräbnis gewähren würde.
    Inzwischen waren die Gefechte bis in die große Halle vorge-drungen. Flüchtig dachte Elaine daran, Gerda zu folgen und sich in Sicherheit zu bringen, doch da entschied das Schicksal es anders.
    Schwere Schritte waren auf der Treppe und dem Korridor zu hören, und dann wurde die Tür aufgestoßen. Ein finsterer, böse aussehender Koloß von einem Mann füllte den Türrahmen.
    Mordlust glitzerte in seinen Augen, und Blut tropfte von seinem Schwert in die Bodenstreu.
    Stolz richtete sich Elaine auf. Daß sie innerlich vor Angst zitterte, zeigte sie nicht. Schließlich war sie die Gattin des Guy de Marche, des Earl of Sedgewick.
    Der Mann kam näher.
    Elaine begann zu beten. Sie betete darum, daß Gerda sicher nach Sedgewick zurückgelangte. Sie betete darum, daß Gott über ihren Gatten wachte und ihn im Heiligen Land vor den Heiden beschützte. Sie betete darum, daß Guy bald heimkommen möge, um seinen Sohn, den er noch nie gesehen hatte, in Liebe zu beschützen.
    Friede ihrer Seele.

1. KAPITEL
    Frühling 1155
    „Friede ihrer Seele."
    Guy de Marche, Earl of Sedgewick, kniete vor dem Grab seiner geliebten Gattin, und während er diese frommen Worte sprach, vermochte er nur mit Mühe die Höllenflüche zurückzuhalten, die ihm aus der Seele drängten. Nur an einen einzigen Mann konnte er denken: an Richard of Ashbury.
    Hoch oben auf dem Gipfel des Hügels erhob sich die Ritterburg. Trübe Nebelschleier umhüllten die zinnenbewehrten Tür-me. Das Bild entsprach genau Guys düsterer Stimmung. Zwei ganze Jahre lang hatte Richard of Ashbury Ramsey Keep unrechtmäßig innegehabt, doch jetzt war Schluß damit. Guys Schlacht zur Wiedererlangung der Burg war bereits nach kurzer Zeit beendet gewesen, dennoch hatte der Sieg für ihn einen schalen Nachgeschmack.
    Den Helm unter dem Arm, erhob sich der Earl von den Knien, eine mächtige Gestalt in furchteinflößender Rüstung. Auf der die Gräberstätte abschließenden Anhöhe warteten berittene und bewaffnete Krieger auf die Befehle ihres Herrn. Nur das gelegentliche Schnauben eines Hengstes sowie das Rauschen des angeschwollenen Bachs unterbrach die tiefe Stille.
    Ein Mann trat langsam an Guys Seite. Keiner der beiden sprach, denn Worte waren jetzt auch überflüssig. Sir Hugh Bainbridges Schwester Claire lag wenige Schritte von Elaines letzter Ruhestätte begraben; er hatte also eine gute Vorstellung von dem, was in Guy vorging.
    Hugh nannte den Earl seinen Herrn und Freund. Als Junge war er Page von dessen Knappen gewesen. An Guys Seite hatte er gedient und sämtliche Triumphe und Niederlagen seines Herrn geteilt.
    Ks war der Earl, der jetzt das Schweigen brach, und seiner Stimme waren der Schmerz und der Kummer anzuhören. „Weshalb gefällt es Gott, mit einer Hand zu geben und mit der anderen zu nehmen?"
    Hugh verstand nur zu gut, was sein Herr und Freund damit meinte. Guys Verbindung mit Elaine war wirklich ein Wunder gewesen. Zwar hatte es sich um eine arrangierte Ehe gehandelt, doch die beiden waren sofort in Liebe zueinander entbrannt gewesen. Hugh und seine Kameraden hatten Guy oft deswegen verspottet, zumal dieser früher stets ein großer Liebhaber aller Frauen gewesen war. Zum allgemeinen Erstaunen jedoch hatte Guy die Ehe mit Elaine nicht als eine Bürde erachtet, und die Tage seiner Liebesabenteuer hatten ein Ende gefunden.
    Insgeheim hatte Hugh seinen Freund ein wenig beneidet, der nach der Eheschließung sein Glück darin fand, sich auf seinen Gütern niederzulassen und sich ausschließlich mit der Fami-liengründung zu befassen.
    Hugh selbst war ein unverheirateter Ritter ohne eigenen Lan-desbesitz und deshalb als Ehemann auch weniger gefragt. Nicht daß er sich bisher deshalb Gedanken gemacht hätte ...
    „Ich hätte hier sein sollen", stieß Guy grimmig hervor. „Verdammt, ich hätte hier sein müssen!"
    „Meint Ihr, ich hätte nicht schon tausendmal dasselbe gesagt?
    Wir können indessen weder den Gang des Lebens noch die Vergangenheit
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