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Geliebter Feind

Geliebter Feind

Titel: Geliebter Feind
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über ihren Rücken. Ihr Gesicht war klein und herzförmig, und ihre Augen hatten die Farbe des Himmels an einem warmen Frühlingstag.
    Es drückte Kathryn das Herz ab, wenn sie ihre Schwester so betrachtete. Elizabeth verdiente wahrlich etwas Besseres, als ihr junges Leben in diesem Frauengemach zu verbringen aus Angst vor einer Außenwelt voller Männer, die nichts kannten außer Krieg und Wollust. Wenn die Eltern noch am Leben wä-
    ren, hätte es für Elizabeth sicherlich schon einen Gatten und Kinder gegeben . .
    Das waren jedoch Träume, und daß Träume nur etwas für Kinder und Narren waren, hatte Kathryn sehr schnell gelernt, nachdem sie und Elizabeth in die Obhut ihres Onkels gegeben worden waren.
    Richard war der uneheliche Halbbruder ihres Vaters, Sir Damien. König Stephen, der Gesetz und Ordnung in seinem ver-kommenen Reich wiederherstellen wollte, hatte ihm den Besitz Sir Damiens sofort nach dessen Tod zugesprochen. Die beiden damals vierzehn und fünfzehn Jahre alten Mädchen wurden da-zu nicht befragt. Jetzt waren sie junge Frauen und den Launen eines Mannes ausgesetzt, der mit jedem Tag unberechenbarer wurde.
    Ja, Träume . . Wahrscheinlich wäre unser Los nicht wesentlich besser gewesen, würde Vater noch leben, dachte Kathryn.
    Falls Sir Damien sie verheiratet hätte, dann nur aus dem einzigen Grund, Landbesitz und Einflußbereiche zu vereinigen. Man heiratete schließlich nicht aus Liebe, und Frauen hatten in dieser Sache kein Mitspracherecht. Wenigstens jedoch hätte den beiden Schwestern Ashbury gehört.
    Kathryn strebte nicht nach Glück, sondern nach Freiheit, und wenn auch nur in bescheidenem Rahmen. Sie sehnte sich danach, so leben zu können, wie sie es wollte, ihre eigenen Ent-scheidungen treffen zu dürfen und sich nicht länger der Vorherrschaft ihres Onkels beugen zu müssen.
    Möglicherweise würde sie nie erreichen, was sie anstrebte, doch anders als Elizabeth fand sie sich nicht damit ab, der Welt immer nur von fern zuzuschauen, ohne jemals ein Teil davon zu sein. Immerhin hegte sie ein winziges Körnchen Hoffnung in ihrem Inneren, eine trügerische Hoffnung vielleicht, doch die einzige, die ihr blieb.
    Und genau aus diesem Grund wollte sie jetzt mit Elizabeth sprechen.
    Sie trat zu ihrer Schwester und kam gleich ohne Vorrede zur Sache. „Roderick hat mich gebeten, ihn zu heiraten", sagte sie ruhig.
    Bestürzt schaute Elizabeth sie an. „Heiraten?" Sie runzelte die Stirn. „Du scherzt doch sicherlich. Onkel Richard hat uns doch unser Land schon vor Jahren entzogen. Selbst falls er einer Heirat zustimmte, könntest du keinerlei Mitgift in die Ehe ein-bringen."
    „Ich bringe mich selbst ein", erwiderte Kathryn wesentlich schärfer als beabsichtigt, doch das fiel ihrer noch viel zu verblüfften Schwester gar nicht auf. Wenigstens bricht sie nicht auf der Stelle in Tränen aus, dachte Kathryn. „Roderick ist willens, mich so zu nehmen, wie ich bin", fügte sie sanfter hinzu.
    Elizabeth erhob sich von ihrem Stuhl. „Vergib mir, Schwester, doch irgendwie kann ich mir dich nicht als demütige, dienstfer-tige Ehefrau vorstellen."
    Demütig und dienstfertig? Kathryn mußte lächeln. „Ich fürchte, in diesem Punkt hast du recht."
    „Ich verstehe das nicht", erklärte Elizabeth ein wenig ge-kränkt. „Warum willst du Roderick heiraten? Du liebst ihn doch gar nicht." Das klang weniger wie eine Frage, sondern wie ein Vorwurf.
    Kathryn schämte sich beinahe. Obwohl ihre Schwester nur ein Jahr weniger zählte als sie, war sie doch bemerkenswert naiv. Meistens sah sie nur das Gute im Leben, und Hoffnung und Güte erfüllten ihr Herz. Das war möglicherweise auch ganz gut so, denn Elizabeth hatte gesehen, was keine Frau jemals sehen sollte.
    Kathryn zog sie auf die gepolsterte Fensterbank. „Nein, ich liebe Roderick nicht. Ich liebe überhaupt keinen Mann." Und das werde ich auch niemals tun, fügte sie im stillen hinzu.
    Seit dem Tod ihrer Eltern war ihr wenig Liebe begegnet, aus-genommen von ihrer Schwester. Die Welt war hart und wurde von Männern beherrscht, und nur deren Belange und Wünsche zählten. Frauen waren nur dazu da, diesen Bedürfnissen nachzukommen. Daran würde wohl auch Kathryn nichts ändern können, doch ihr rebellischer Geist sträubte sich dagegen, es einfach widerspruchslos hinzunehmen.
    Elizabeths Lippen zitterten. „Weshalb nur, Kathryn? Was soll aus mir werden, wenn du Roderick heiratest? Er besitzt ein eigenes kleines Lehensgut, und zweifellos werdet ihr
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