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Geliebter Feind

Geliebter Feind

Titel: Geliebter Feind
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der Burg hinaus und zu einer Waldhütte führte.
    Von hier bis zum Kloster war es nur noch ein kurzer Weg, und dort würde das Mädchen Unterschlupf und Geleit nach Sedgewick finden.
    Nachdem Claire erschöpft in die Bettpolster gesunken war, hob Elaine den schlafenden Säugling aus der Wiege und betrachtete ihn unter Tränen. Sanft streichelte sie seine kleine Wange und konnte es noch immer nicht fassen, daß Gott ihr einen so wunderbaren Sohn geschenkt hatte.
    Peter war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. In der Nacht, als Elaine und Guy zum erstenmal beieinander gelegen hatten, war das Kind empfangen worden; das wußte Elaine im Herzen, und sie bedauerte nur, daß ihr Gatte die Frucht der Liebe noch nicht hatte sehen können.
    Wie sie Guy und den kleinen Peter liebte! Mit tränenver-schleiertem Blick berührte sie das kleine Gesicht mit den ge-schwungenen nachtschwarzen Brauen, der winzigen Stupsnase und dem wunderhübschen Mündchen, das schon jetzt eine Spur des strengen Zugs seines Vaters zeigte.
    Die Tränen rollten Elaine nun über die Wangen. Nie würde sie Peter aufwachsen und so groß und stark werden sehen wie die Eichen bei Sedgewick, so groß und stolz wie sein Vater, der große Krieger.
    Elaine trocknete ihre Tränen. Sie wollte nicht an den Tod denken, sondern an das Leben, an das Leben ihres Sohnes. Behutsam wickelte sie das Kind in Windeltücher und reichte es Gerda.
    Es wachte nicht auf, sondern kuschelte sich nur instinktiv an die Brust des jungen Mädchens.
    Elaine schob das geheime Stück in der Wandtäfelung hinter dem Bett zur Seite und wandte sich an Gerda. Sie blickte dem Mädchen in die Augen und faßte es bei den kräftigen Schultern.
    „Ich vertraue dir, wie ich noch niemandem in meinem ganzen Leben vertraut habe, Gerda."
    Die junge Magd sah aus, als wollte sie ebenfalls in Tränen ausbrechen. „Ich werde Euch auch ganz gewiß nicht enttäuschen, Herrin."
    Elaine lächelte. „Das weiß ich", sagte sie nur.
    Gerda faßte das Kind mit einem Arm und nahm eine Talgker-ze in die andere Hand. Im Rahmen der Geheimtür blieb sie noch einmal stehen. Sie hatte Angst - Angst um sich selbst und um ihre Herrin, und sie vermochte ihre Tränen nicht mehr zurückzuhalten. „Ich bete für Euch, Herrin", schluchzte sie. „Ich will darum beten, daß Eure Befürchtungen nicht Wirklichkeit werden und daß Ihr die große Halle von Sedgewick wieder mit Eurer Anwesenheit schmückt."
    Das Gebet wird nichts nützen, dachte Elaine. „Ich weiß, du verstehst es nicht, Gerda", sagte sie leise. „Doch ich tue, was ich tun muß."
    „Ihr wählt Euren Tod!"
    Elaine schüttelte den Kopf. Traurig strich sie noch einmal über den Kopf ihres kleinen Sohns. „Nein", widersprach sie mit Nachdruck. „Ich wähle nicht meinen Tod. Ich wähle Peters Leben." Sanft hob sie das Mädchen in den dunklen Treppengang.
    „Geh jetzt, Gerda. Eile, als wäre dir der Teufel auf den Fersen, und halte nicht an, bevor du dich im Kloster in Sicherheit befin-dest."
    Noch einmal umarmte sie ihre junge Magd und schaute ihr dann nach, bis sie sie nicht mehr sehen und ihre Schritte nicht mehr hören konnte. Erst jetzt schloß sie die schwere Tür und schob die Platte der Wandtäfelung wieder davor.
    Als sie sich zu Claire umdrehte, blickte diese sie mit erstaun-lich klaren Augen an. Rasch ging Elaine zu ihr und setzte sich auf die Bettkante.
    Schwach ergriff Claire ihre Hand. „Hätte ich geahnt, was uns widerfahren sollte, würde ich Euch niemals um Euren Besuch gebeten haben. Nur wollte ich Euch und Peter noch ein letztes Mal sehen", flüsterte sie. „Und jetzt begreife ich nicht, was hier eigentlich geschieht. Weshalb hat man Geoffrey getötet? Warum gelüstete es Richard of Ashbury nach dieser abgeschiedenen Ritterburg?"
    „Das hat nichts mit Euch zu tun." Elaine strich ihr beruhigend über die Stirn. „Unter König Stephens Regierung breiteten sich Gesetzlosigkeit und Habgier aus. Es heißt, die Vasallen bekämpfen sich im ganzen Land gegenseitig, während Stephen vergeblich versucht, die Gewalttätigkeiten zu unterbinden und die Ordnung wiederherzustellen."
    „Warum das alles so ist, weiß ich nicht", fuhr sie traurig fort.
    „Krieg zu führen, liegt in der Natur des Mannes, und Richard ist überdies ein böser Mann. Er verlangt nach dem, was ihm nicht gehört." Es war Elaine bewußt, daß sie den Gang der Dinge nicht zu ändern vermochte; also mußte sie ihn eben akzeptieren.
    Während des ganzen langen Tages blieb
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