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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss
Autoren: Jo Hanns Roesler
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Gemüsebeete über Gemüsebeete. Obst aller Arten in reicher Verschwendung, dem Haustor gegenüber standen acht breitausladende Rosenbäume mit den altmodischen blauen Glaskugeln auf den Pfählen, davor ein Beet mit rosafarbenen Pfingstrosen, weiße Madonnenlilien und ein Turm von blauem Rittersporn. Aber kein Fremder sah die Blumen, kein Besucher, nur Birke in den Sommermonaten, wenn sie das Schriftstellerehepaar Adam und Sarah Bendiner besuchte.
    Zwischen dem Mann von Fünfzig und Birke begann eine Liebe zu schwelen, aber keiner ließ es sich anmerken. Birke dachte manchmal, so sollte der Mann aussehen, den sie einmal heiraten werde, von genau dieser Art müßte er sein, dann spielten die Jahre keine Rolle. Aber sie hütete sich, Rechenschaft über ihre Gefühle abzulegen, und redete sich damit heraus, daß sie nur Mitleid mit diesem Mann empfand, der in seinen guten Jahren an eine ältere Frau gebunden war, die seit dem Tod ihres einzigen Kindes ein wenig sonderlich geworden war.
    In einem Kasten ihres Kleiderschrankes lag noch der ganze selbstgenähte Kram der kleinen Kinderhemdchen und Höschen und Lätzchen, die sie damals für ihr Enkelkind vorbereitet hatte. Es fehlten nur noch die blauen oder rosafarbenen Bändchen und Schleifen darin, je nachdem, ob es nun ein Junge oder ein Mädchen geworden wäre. Beide Bändersorten lagen noch gebündelt auf der weißen Wäsche — Sarah Bendiner war ein wenig abseitig geworden, sie saß, ohne am Gespräch teilzunehmen, stumpf in der gleichen Ecke auf dem Sofa. Manchmal ertrug Birke die Bedrückung nicht mehr. Sie blieb dann einen Monat und einmal noch länger fort, vor allem stets dann, wenn sich zwischen Adam und ihr etwas anzubahnen schien, was sie vermeiden wollte.
    »Warum hast du keinen, den du liebst? Du bist schön, Birke.«
    »Du nähmst mich zur Frau?«
    »Jede Stunde.«
    »Siehst du, dich bekomme ich nicht und ein anderer gefällt mir nicht.«
    »Sagst du es nicht nur so?«
    Birke antwortete:
    »Es ist noch etwas. Ich habe mein ganzes Leben immer in Enge und Armut verbracht. Zuerst bei meiner Mutter auf dem Dorf in unserer kleinen Hütte. Dann war mein Bruder, ein begabter Junge, den ich studieren lassen mußte, denn einer von uns wenigstens sollte heraus aus diesem Leben... ich weiß nicht, warum ich immer davon träume, daß ich einmal viel Geld haben werde, so viel Geld, daß man es nicht mehr zu zählen braucht. Das ist schon zur fixen Idee bei mir geworden. Ich will nicht immer nur das Aschenputtel sein, sondern auch einmal im Wohlstand leben, und wenn es nur für eine Woche ist — die anderen, die alles vom Leben haben, sind auch nicht klüger als ich, sie sind nicht schöner, sie sind nicht besser, nicht einmal gebildeter —, ich will auch einmal verwöhnt werden, eine Reise machen, schöne Kleider tragen, in einem guten Restaurant essen —, warum muß ich allein immer nur zurückstehen?«
    »Wir stehen alle zurück, Birke.«
    »Alle nicht.«
    »Das große Leben, wie du es nennst — die es leben, merken es nicht.«
    »Ich sehe doch die Pelze, die sie tragen — ich sehe die Juwelen in den Fenstern, ihre Autos, die Prachtfassaden der großen Hotels...«
    »Sag das noch einmal! Das klang so schön. Die Prachtfassaden der großen Hotels!«
    Birke muß unwillkürlich lachen.
    »War das falsch?« fragt sie.
    »Ich würde mich anders ausdrücken. >Die Riesenkästen der Hotels< würde ich sagen.«
    »Was ist da für ein Unterschied?«
    »Wenn ich sage >Riesenkästen<, da ist schon meine Gegnerschaft ausgedrückt, weil diese Riesenkästen uns den Platz zum Atmen wegnehmen. Glaub mir: du gehst nach drei Tagen nicht anders durch die von Pagen weit aufgehaltenen Hoteltüren, als wenn du daheim dein Zimmer mit dem Schlüssel aufsperrst.«
    »Das glaube ich dir nicht.«
    »Ich habe einmal vier Wochen im Negresco in Nizza gewohnt...«
    Birke schaut überrascht auf:
    »Du? Wirklich?«
    »Ich habe eine Woche lang in der teuersten Loge der Mailänder Scala gesessen — ich habe jeden Tag bei Savigny gefrühstückt!«
    »Warum hast du mir das nie erzählt?«
    »Weil ich nur in meiner Phantasie in diesen Hotels gewohnt habe und nur in meinen Träumen bei Savigny gegessen. In meinen Geschichten, die ich schrieb. Ich habe mir den Prospekt des Hotels Negresco schicken lassen, auf dem der Strand von Nizza mit allen seinen Liegestühlen und das Meer abgebildet waren. Wenn ich jetzt in meiner Phantasie aus meinem Hotelfenster auf den Strand hinunterblickte, wußte ich, wie
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