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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers
Autoren: Marjorie M. Liu
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einige zu Hause im Büro von Dirk & Steele spekuliert hatten, irgendein seltsamer Fall von menschlicher Massen-Selbstverbrennung, was ein extrem seltenes Phänomen war, falls es überhaupt existierte. Und das außerdem nicht in blinder Wut zuschlug und hilflose Menschen wie fette Marshmallows an Stöcken verbrannte. In diesem Fall gab es einfach zu viel Feuer. Zu viel davon in einer einzigen Stadt, und das in nur einer Woche. Was bedeutete, dass etwas anderes darin verwickelt war. Jemand anders.
    Und dieser Jemand hat mich enttarnt.
    Das war nicht gut. Es gehörte nicht zum Plan. Nur gut, dass Dean den Befehl hatte, den Fall schnell und endgültig zu erledigen. Schießen, um zu töten, selbst wenn der Boss dem Killer gern Fragen gestellt und herausgefunden hätte, warum er Menschen verbrannte, um sicherzugehen, dass all diese Todesfälle nicht nur ein Riesenirrtum gewesen waren.
    Na klar. Bei Tee und Hefeplätzchen, ein nettes kleines Tete-a-tete. Man wird sentimental, kurz vor den Kugeln und dem Scheißfeuer. Jesus! Dean hielt sich zwar nicht für sonderlich intelligent, aber so blöd war er auch wieder nicht. Es kümmerte ihn kaum, ob er nach den Regeln spielen sollte. Kugeln waren besser. Sicherer. Sie waren ... gerechter.
    Du bist kein Henker. Und auch kein Richter und keine Jury.
    Nein. Aber er hatte die Pflicht, andere zu beschützen und sich selbst ebenfalls. Und außerdem war Dean das Leben lieber als der Tod. Er schaffte es, so etwas wie Schuldgefühle, Heldentum und Ehre zu verdrängen, wenn das bedeutete, Leute zu retten oder einen weiteren Tag mit einem schlagenden Herzen zu erleben, mit einem unversehrten Körper. Dean spielte nicht herum. Den Fehler hatte er nur einmal gemacht; damals hatte er versucht, das Richtige zu tun, war aber schwach gewesen. Und das hatte ihn alles gekostet. Teile von ihm waren seitdem tot, und in seinem Hirn gab es nun schwarze Löcher.
    Das würde ihm nicht noch einmal passieren, nie wieder. Dean hatte schon genug Narben. Und einen Glücksbringer um den Hals.
    Er bog in eine dunklere Straße ein, wich Fahrrädern und schlecht geparkten Autos aus, flatternder Wäsche und Pflanzen, die für ihre zerborstenen Töpfe viel zu groß waren. Alte Männer saßen mit Zigaretten in der Hand auf Plastikstühlen, mit hochgerollten T-Shirts, die ihre verschwitzten Oberkörper entblößten, und plauderten über schäbigen Mah-Jongg-Tischen im Licht von Neonlampen, während das Klicken der Spielsteine in der Nacht verklang. Hinter ihnen tratschten alte Frauen auf den Stufen der Häuser und beobachteten, wie die Kinder in der Dunkelheit Ball spielten, schrien und lachten. Ihre Stimmen hallten von den Mauern zurück. Fernseher plärrten durch geöffnete Fenster, Töpfe und Pfannen klapperten. Dean roch gebratenes Fleisch. Hunde schnüffelten in den Abfalltüten herum und beobachteten ihn leise jaulend.
    Die Straße war kurvig. Dean verirrte sich nicht, obwohl er sich vorstellte, wie er sich absichtlich verlief, in dem Labyrinth untertauchte, eine weitere Nacht abhakte, wie er zu einer Erinnerung wurde, zu einer Drohung, wie sich seine eigene Energie wie eine Wolke in den Smog erhob und sich darin auflöste, in die Hitze, und dann wie ein Tropfen von Nichts in der Welt verschwand.
    Doch ihm wurde die Zeit knapp. Die Dunkelheit wich hellem, künstlichem Licht. Dean trat aus der dunklen Wohnstraße in eine Welt, die ihn mit Farbe, mit Menschen, Pfiffen und wettstreitenden Gerüchen überfiel; Neon-Laufreklamen und Plakate, die ganze Häuserfassaden bedeckten, buhlten um Aufmerksamkeit für amerikanische Importwaren wie einen dreistöckigen Hamburger, ein erstklassiges Kentucky Fried Chicken, auf dem Colonel Sanders wie ein fettes weißes Gespenst thronte. Junge Leute schoben und stießen sich in ihren schicksten Klamotten vorwärts, quollen aus angesagten Clubs und Geschäften; ihre Handys hingen ihnen an Ketten um den Hals wie silberne Kugeln; sie lachten, lächelten, unbeeindruckt von der Hitze und dem Gewühl, denn es war Nacht in Taipeh und die Zeit für den Auftritt der jungen Wilden, den Spaß. Dean fühlte sich neben den Kindern um ihn herum wie ein alter Mann: sechsunddreißig Jahre alt, fast vierzig. Die ersten grauen Haare zeigten sich auch schon. Schon bald würde er einer einsamen alten Lady mit Katze gleichen; okay, bis auf die Pistolen, die Playboys und die Comics.
    Gott, was für ein Image. Die Menge dünnte sich aus, die Menschen veränderten sich. Die Oberklasse-Unterhaltungszone
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