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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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kleine Bucht öffnete, die wie ein Mini-Blinddarm an dem See hing.
    Schon während der Fahrt hatten die drei ??? Tante Mathilda mit Fragen über das Ferienhaus gelöchert, die sie allerdings nicht beantworten wollte. Dass Emily immer nur von einer »Traumvilla« schwärmte, hatte Tante Mathilda den Jungs verschwiegen, um die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben.
    Was sich hinter dem fast unscheinbaren geschnitzten Holztor darbot, das wie von Geisterhand aufging, nachdem Morton geklingelt hatte, verschlug ihnen allen die Sprache. Selbst Peter drückte wortlos seine Nase an der Autoscheibe platt. Im rechten Winkel zur Einfahrtsstraße, neben einem etwas abseits gelegenen flachen Holzhaus, stand eine prächtige Villa.
    »Einfach edel«, fand Bob als Erster die Sprache wieder. Das dreistöckige Haus war in einem sonnigen Gelb verputzt. Über die gesamte Vorderfront zogen sich dunkelbraune, aufwendig aus Holz geschnitzte Vorbauten, die über dem Eingangstor von einem geschwungenen Glasvordach ergänzt wurden.
    »Jugendstil.« Tante Mathilda hatte ihre Kennermiene aufgesetzt. »Und das fast am Ende der Welt. Was sagt man dazu?«
    »Am besten gar nichts.« Andächtig ließ Peter den Blick über diese imposante Fassade wandern. »Wenn ich das Kelly erzähle, glaubt sie wieder, ich übertreibe.«
    Morton brachte den Wagen lautlos vor dem Nebenhaus zum Stehen. Emily hatte ihnen den Schlüssel für die Wohnung mitgegeben, die sie normalerweise bewohnte, wenn sie mit Oames an den See fuhr. Zuvorkommend half der Chauffeur Tante Mathilda aus dem Wagen und begann dann, das Gepäck ins Haus zu tragen. Die Jungs montierten unterdessen ihre Ski ab.
    Im Ferienhaus fanden sie sich schnell zurecht. Von einer quadratischen Diele gingen vier Zimmer, ein kleiner Salon und die Küche ab.
    »Wenn mir das gehörte, wär’ ich schon zufrieden«, brummte Bob. »Dieser Oames muss ja steinreich sein.«
    »Und wir sind mit schuld«, ergänzte Justus nachdenklich. Bob zog die rechte Augenbraue hoch und sah ihn verständnislos an. »Hast du nicht auch ›Such-das-Bild‹ und ›Labyrinth‹ und ›Hexenkessel‹ gespielt? So wie ich und Millionen anderer Kinder. Kommt alles aus seiner Fabrik.«
    »Auf zur Zimmerverteilung«, unterbrach sie Tante Mathilda energisch. »Jeder von euch kann eins haben.« Sie machte eine große Geste. »Ihr dürft’s euch aussuchen.«
    Dank Mortons Hilfe, der ohne viel Aufhebens im Kamin einige Holzscheite anzündete, war es schnell mollig warm in dem kleinen Haus. Tante Mathilda machte sich fertig, um in die Villa zu Mr Oames zu gehen. Die drei ??? bezogen ihre Zimmer. Dann brach der Chauffeur mit einer langen Einkaufsliste nach South Lake Tahoe auf. Er wollte noch über Nacht bleiben und erst wieder am nächsten Tag den Heimweg nach Los Angeles antreten.
    »Und wir«, entschied Justus, als sie sich wieder im Wohnzimmer versammelt hatten, »wir schauen uns erst einmal gründlich um. Oder hat einer was dagegen?«
    »Oames vielleicht«, gab Bob zu bedenken.
    »Der muss uns ja nicht sehen.« Peter konnte seine Neugierde kaum bremsen. »Wir sind doch keine Anfänger.« Sie schlüpften in ihre dicken Pullover, schnürten die Winterstiefel und brachen auf.
    »Ein Wahnsinnsschuppen«, staunte Peter noch einmal, als sein Blick wieder auf die Villa fiel. »Jugendstil! Hab’ leider keinen blassen Dunst, was das ist.« Natürlich wusste er, was jetzt unweigerlich kommen würde.
    »Eine Stilrichtung der angewandten Künste und der Architektur«, legte Justus prompt los. Dabei ahmte er fast perfekt den Tonfall eines Museumsführers nach, so dass die beiden anderen schon nach den ersten Worten grinsen mussten. »Hier links«, Justus zeigte auf die Villa, »sehen Sie ein besonders schönes Exemplar der mitteleuropäischen Strömung, mit flächengebundenen Liniengebilden im Schnitzwerk, die ursprünglich von Pflanzenmotiven ausgehen.«
    Bob starrte ihn an. Darauf war er nicht gefasst gewesen. »Blufft der?« Er stieß Peter in die Seite.
    »Kennst ihn doch«, stöhnte Peter. »Unser Fleisch gewordenes Lexikon.«
    »Und das in zwanzig Bänden«, stammelte Bob feixend. »Es ist nicht zu fassen.« Auf diesem Gebiet war Justus wirklich alles zuzutrauen. Und noch ein bisschen mehr.
    »Soll ich weitermachen?«, fragte Justus mit treuherzigem Blick, während sie auf ein kleines Wäldchen hinter ihrem Ferienhaus zusteuerten.
    »Bitte nicht.« Peter hob abwehrend die Hände. »Wir wollen lieber die Stille der Natur auf uns wirken
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