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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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rief Justus. »Natürlich. Ich rufe bei Emily an. Darauf hätten wir schon längst kommen können.«
    »Hab’ ich schon«, unterbrach Onkel Titus den Enthusiasmus seines Neffen. »Niemand da.«
    »Trotzdem.« Justus wollte so schnell nicht aufgeben. »Ich versuch’s noch mal.«
    Er ging in den Flur und fuhr mit dem Finger über die Kartonkarte, bis er an der gesuchten Nummer angekommen war: 235–576.
    »Lass mich.« Onkel Titus stand hinter ihm und nahm ihm den Hörer aus der Hand. Er wählte hastig. »Titus Jonas«, rief er ins Telefon. »Emily, bist du’s? Ich suche Mathilda. Sie ist – Was?« Onkel Titus’ Schnurrbart zitterte. »Unfall?« Er wurde blass, und Justus bekam feuchte Hände. Peter und Bob standen jetzt auch im Flur und warfen Justus fragende Blicke zu.
    »Was ist denn los?«, wollte Justus wissen.
    »Pst!« Onkel Titus machte bloß eine abwehrende Handbewegung und hörte weiter angespannt zu. »Im Krankenhaus. Ich verstehe. Gut. Danke … Ääh … Und gute Besserung.«
    Onkel Titus drückte mit dem Zeigefinger die Gabel herunter, behielt den Hörer aber in der Hand, während er sich zu den Jungs umdrehte. »Das war Emilys Nichte. Emily hatte einen Unfall im Haus. Statt den Krankenwagen anzurufen, alarmierte sie Mathilda.« Er lächelte sanft. »Das hat deine Tante offenbar ziemlich durcheinandergebracht.«
    »Da kenne ich noch andere«, unterbrach Justus seinen Onkel.
    »Sei nicht frech«, sagte er streng, kam dann aber zur Hauptsache. »Jedenfalls ist Emily etwa gegen drei Uhr ins Krankenhaus gekommen, und Mathilda weicht seither nicht von ihrer Seite.« Er zuckte die Schultern. »Fragt mich nicht, warum sie nicht angerufen hat. Emilys Nichte hat ihrer Tante das Notwendigste zusammengepackt und fährt jetzt selber hin.« Er begann eine Nummer zu wählen. »Und ich sage im Krankenhaus Bescheid, dass ich Mathilda abholen komme.«
    Keine zwei Minuten später war er aus dem Haus. Nicht ohne den Jungs einen klaren Auftrag erteilt zu haben: Sie sollten sich ums Abendessen kümmern.
    »Spaghetti«, entschied Justus. »Das ist nämlich das Einzige, was ich wirklich kann.«
    Peter holte einen großen Topf aus dem Schrank. »Kommen die Nudeln in heißes oder in kaltes Wasser?«, wollte er wissen. Justus und Bob hatten die Antwort wie aus einem Munde parat, und Peter musste einen Kurzlehrgang über die richtige Konsistenz italienischer Nudeln und die Zusammensetzung einer schmackhaften Gemüsesoße über sich ergehen lassen.

Das blaue Auge
    »Jetzt bin ich aber satt.« Tante Mathilda schob den Teller weg und faltete ihre Serviette sorgfältig zusammen. »Es hat alles auch seine guten Seiten«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln. »Ohne mein Missgeschick wäre uns weiter verborgen geblieben, was für talentierte Jungköche hier tagtäglich ein- und ausgehen.«
    Erstaunlich, dachte Justus, wie schnell sie die Sache mit dem verkohlten Brandsatz im Backofen weggesteckt hat. Zwar schwärmte Tante Mathilda seit ihrer Jugend für Gruselfilme und hatte schon oft Nerven wie Drahtseile bewiesen, wenn ein besonderer Thriller über den Fernsehschirm flimmerte. Diesmal war es aber kein Film gewesen. Das ganze Haus hätte abbrennen können. Justus schüttelte sich.
    »Ich muss dir wirklich noch einmal danken.« Tante Mathilda erriet seine Gedanken. »Aber Emily war so aufgeregt.« Sie zuckte die Schultern. »Nun gut, jetzt zu euch.« Mit einem strahlenden Blick schaute sie von Justus zu Bob, von Bob zu Peter und von Peter wieder zu Justus. »Ich habe eine Überraschung für euch.« Sie legte die Hand auf Onkel Titus’ Arm. »Auf der Herfahrt haben wir zwei schon alles besprochen.«
    Onkel Titus stand auf »Und deshalb muss ich jetzt zwei Telefonate führen«, sagte er augenzwinkernd und ging hinaus. Verwundert sahen ihm die drei Jungen nach.
    »Ihr erinnert euch vielleicht, dass meine alte Schulfreundin Emily nie geheiratet hat«, begann Tante Mathilda in ihrer ty-pischen, manchmal ziemlich weitschweifigen Art zu erzählen. »Sie ist Haushälterin bei dem berühmten Spieleverleger Michael Julius Oames. Heute Vormittag war sie mit den Vorbereitungen für einen zweiwöchigen Ausflug in Oames’ Ferienhaus am Lake Tahoe beschäftigt, als sie, das wisst ihr ja schon, von der Leiter gefallen ist. Beckenprellung, sagt der Arzt. Tut fürchterlich weh.« Tante Mathilda sah sehr betrübt in die Runde.
    »Wirklich Pech für sie«, sagte Peter wenig einfühlsam. »Aber was hat das mit uns zu tun?« Dafür erntete er
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