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Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
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kehrt und lief mit raschen Schritten los. Karl blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
    »W-wo wollen wir hin?«, fragte er. »Sollten wir nicht lieber schnell nach Hause?«
    »Eins nach dem anderen«, sagte Großvater. »Ich muss erst noch eine Sache überprüfen. Es ist wichtig.«
    Karl wusste nicht genau, wo sie waren, aber ihm war klar, dass der Hafen nicht weit weg sein konnte.
    Nur, wohin wollte sein Großvater? So liefen sie doch immer tiefer in den Grauen hinein! Karl wollte protestieren, ihn bremsen,
     aber sein Großvater schien fest entschlossen zu sein.
    Und auf einmal spürte Karl es.
    Unruhig bewegte sich etwas in seiner Hosentasche. Fast fühlte es sich an wie ein kleines Tier.Karl wurde es eiskalt. Die Figur vom Votivschiff, von der Vallona. Vorsichtig schob er seine Hand in die Tasche.
    Jetzt hörte er es auch.
    Die Figur schrie. Schwach nur, denn sie war winzig, aber ein Schrei war es doch. Kein Schmerzensschrei, sondern ein verzweifelter
     Laut voller Angst und Wut.
    Karl zog die Figur aus der Tasche, aber als er sie in der Hand hielt, war sie nichts als ein Stückchen Holz. Das sorgsam geschnitzte
     Gesicht blickte ihn nichtssagend an. Kein Laut war mehr zu hören.
    Hatte er sich denn alles nur eingebildet? Was ging hier eigentlich vor?

Kapitel 5

    Der dichte Nebel hatte sich bereits über dem Pier ausgebreitet und nur das leise Schwappen der Wellen verriet ihnen, dass
     sie im Hafen angekommen waren. Unten am Kai blieb Großvater stehen und spähte hinaus aufs Wasser. Karl machte dasselbe. Ohne
     auch nur ein Fitzelchen erkennen zu können.
    Eigentlich war ihm jetzt nur noch danach zumute, mit Großvater nach Hause zu gehen, die Tür hinter sich zuzuschlagen, sich
     hinzulegen, abzuwarten und sich nicht mehr zu rühren, bis alles vorbei war.
    Der Nebel, der die Stadt schon erreicht hatte, war erst der Anfang. Der wahre Graue lauerte direkt vor dem Hafen, wie eine
     gewaltige Wand, die unerbittlich näher kam. Und mit dem Grauen kamen die Geräusche. Dröhnende, klagende Laute.
    »Was ist das, was man da hört?«, fragte Karl.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Großvater ernst. »Aber die meisten glauben, dass mit dem Grauen das Echo all der Laute zurückkommt,
     die er einst verschluckt hat.«
    Karl schauderte in der feuchten Luft. Sie waren langsam weitergegangen und ihm war klar, dass sie am Wasser entlangliefen,
     an der Kaimauer, aber ebenso gut hätte er sich in einer anderen Welt befinden können.
    Großvater hielt weiter Ausschau aufs Meer. Schließlich fluchte er leise vor sich hin und blieb stehen. Wieder zog er sein
     Handy hervor. Immer noch kein Empfang.
    »Wen willst du anrufen?«, fragte Karl.
    Aber Großvater gab ihm keine Antwort. Mit zusammengebissenen Zähnen schob er das Handy zurück in die Tasche, dachte einen
     Augenblick nach und schien einen Entschluss zu fassen.
    »Wir schaffen es nicht mehr nach Hause«, sagte er. »Wir müssen uns irgendwo Schutz suchen, bevor wir uns noch verlaufen. Fünfzig
     Meter die Straße hinunter steht ein Bootshaus, beim Stromhäuschen, an einem der Anleger. Erinnerst du dich?«
    Großvater zeigte den Kai hinunter und Karl nickte.
    »Schrott-Jansson nutzt es als Lager«, fuhrGroßvater fort. »Er wollte heute Inventur machen und ist bestimmt noch da. Ich möchte, dass du dorthin gehst. Ich komme gleich
     nach.«
    Erstaunt schaute Karl seinen Großvater an.
    »A-aber, wohin willst du?«
    Großvater sah ernst aus.
    »Ich muss das Boot ordentlich festmachen. Das hier kann sich leicht noch zum Sturm auswachsen.«
    Schneller als Karl protestieren konnte, hatte Großvater sich umgedreht und war losgelaufen.
    »Beeil dich!«, rief er Karl zu. »Lauf zu Janssons Lager! Es ist nicht weit. Aber pass auf! Bleib auf dem Weg! Der Schuppen
     liegt direkt am Wasser.«
    Und schon war er im Nebel verschwunden.
    Karl versuchte sich umzusehen, aber alles um ihn herum war grau in grau. Feuchte Kälte streckte ihre Finger nach seinem Gesicht
     aus und kroch in den Kragen seiner Jacke.
    Langsam begann Karl, die Strecke abzuschreiten. Fünfzig Meter hatte Großvater gesagt. Das müssten dann ungefähr fünfundsechzig
     Schritte sein. Er versuchte, den Blick fest auf die Mitte des Schotterweges zu richten, aber schon bald war sogar der Boden
     nur noch undeutlich zu erkennen.
    Achtunddreißig, neununddreißig, vierzig   … Der knirschende Schotter unter seinen Füßen wich plötzlich etwas Hartem und Festem.
    Er war auf einer Felsplatte direkt am Wasser
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