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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen
Autoren: Michele Jaffe
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Pflegefamilien …«
    »
Eine
deiner Pflegefamilien?«, fragte Bridgette, deren Neugier offenbar geweckt war.
    »Es spielt keine Rolle«, sagte ich. Ich konnte nicht verbergen, dass ihr Interesse mich nervös machte. »Ich spiele kaum. Aber dieser Flügel ist so … hübsch.«
    »Ja«, stimmte Bridgette zu. »Er stand früher im Haus unserer Großmutter, aber sie wollte ihn nicht mehr sehen. Also haben wir ihn hier heraufgeschafft.« Sie beobachtete mich so eindringlich und neugierig, als wäre ich ein Insekt, das auf einem Objektträger unter dem Mikroskop klemmt.
    Ich versuchte, mich entspannt zu geben, wollte lässig die Hände in die Gesäßtaschen schieben, doch mir fiel zu spät ein, dass Roman heute Nachmittag eine davon abgerissen hatte.
    Erst heute Nachmittag. Es kam mir vor, als wäre es ein ganzes Leben her.
    Also verschränkte ich die Hände hinter dem Rücken. »Spielt einer von euch?«, fragte ich, um sie abzulenken.
    »Bridgette ist eine begnadete Pianistin«, warf Bain ein, während sie mich nicht aus den Augen ließ.
    »Also kannst du es nicht wirklich? Und was ist mit Tennis?«
    Ich runzelte die Stirn. »Tennis? Nope.«
    »Pferde? Reitest du?«
    Ich musste unwillkürlich lachen. »Klar doch. Es gibt eine Menge Pflegefamilien mit eigenen Stallungen.« Ich neigte den Kopf zum Balkon. »Was habt ihr da draußen beschlossen?«
    Bain und Bridgette wechselten einen Blick, als führten sie ein wortloses Gespräch. Dann sagte sie: »Wir besprechen es beim Essen. Ich verhungere gleich.«

6. Kapitel
    I n letzter Zeit war Abendessen für mich etwas gewesen, das aus Büchsen kam und mit einem Plastiklöffel von einem Pappteller gegessen wurde.
    Bei Bain und Bridgette sah das etwas anders aus. Als wir uns an den Tisch setzten, erklärte Bain mir, dass Bridgette im Sommer nach ihrem Schulabschluss eine Kochschule in Paris besucht hatte. Sie spielte es herunter – »es ging größtenteils um Grundsaucen und den Umgang mit Messern« –, doch sie war eine wirklich gute Köchin.
    Maccaroni au gratin avec lardon
war, wie ich erfahren sollte, ein eleganterer Ausdruck für Makkaroni mit Käse und Speck, aber es schmeckte anders als alle Makkaroni mit Käse, die ich je gegessen hatte. Bridgette hatte sie im Ofen überbacken, mit einer goldenen Kruste aus Semmelbröseln, und die Sauce war zart, rauchig und käsig zugleich. Ich aß zwei Teller davon, und Bain hielt mit. Obwohl sie gesagt hatte, sie sei hungrig, schob Bridgette die Nudeln mit der Gabel auf dem Teller herum, während sie mir verstohlene Blicke zuwarf.
    Schließlich konnte ich es nicht länger ertragen. Ich hörte mitten im Kauen auf und ließ die Gabel klirrend auf den Teller fallen. Bridgette zuckte zusammen. »Warum starrst du mich so an?«, fragte ich.
    Eins muss ich ihr lassen, sie stritt es nicht ab. »Ich frage mich, wie du dein Essen verdauen kannst, wenn du so vorgebeugt dasitzt und es herunterschlingst.«
    Ich aß wie die Leute, die ich kannte, das Gesicht knapp über dem Teller, den linken Arm schützend darum gelegt, die Finger der rechten Hand umklammerten fest den Griff der Gabel. »Was stimmt denn nicht mit meiner Art zu essen?«
    »Es geht nicht darum, dass etwas nicht stimmt. Es ist nur …« Sie legte ihre Gabel sorgsam hin, schob den Teller nach vorn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe nur darüber nachgedacht, wie viel Arbeit wir haben werden. Jede Einzelheit ist wichtig – wie du das Besteck hältst, wie du sitzt, wie du redest. Mir war nicht bewusst, wie viele Kleinigkeiten es gibt, bis ich dich beobachtet habe.«
    Ich setzte mich aufrecht hin und nahm den Arm vom Tisch. »Soll das hier so etwas wie
My fair lady
werden? Ihr gewinnt einen Preis, weil ihr eine Göre aus der Gosse in eine Gräfin verwandelt?«
    Sie lächelte. »Ich liebe den Film.«
    Natürlich. Mädchen wie Bridgette liebten den Film immer, weil die Welt darin hübsch aussah, und sie glauben konnten, dass man reich und sauber und dennoch moralisch sein konnte.
    Meiner Meinung nach war er beschissen. Es gab keine Märchen.
    »Man könnte sagen, es hat eine gewisse Ähnlichkeit damit«, fuhr Bridgette fort und fing an, den goldenen Dreiband-Ring an ihrem Mittelfinger zu drehen. »Wir möchten, dass du dich als jemand anders ausgibst. Wenn du es durchziehst, ist eine Menge Geld dabei drin.«
    Ich glaube, ich hatte die ganze Zeit über geahnt, worauf es hinauslaufen würde, aber nun sprach ich es zum ersten Mal aus. »Ich soll mich als eure Cousine
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