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Geisterblues

Geisterblues

Titel: Geisterblues
Autoren: Katie MacAlister
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einem
Blót
gehört. »Gehen rituelle Opfer denn nicht mit dem Abmurksen süßer, unschuldiger Tierchen einher?«
    »In grauer Vorzeit war das so«, bestätigte er nickend, während er seine Wadenmuskeln spielen ließ. »Aber heutzutage verwenden wir Met anstelle von Blut. Das ist wesentlich appetitlicher. Bis später dann.« Tibolt joggte los, bevor wir ihn fragen konnten, wie man ein Glas Honigwein rituell opferte.
    Imogen und ich standen wie angewurzelt da und starrten dem hinreißenden Blondschopf nach, als er die Wohnwagenreihe passierte und zur anderen Seite der Insel trabte, wo die Ruinen der Wikingerfestung lagen.
    »Er ist das schönste Geschöpf, das ich jemals gesehen habe«, sagte Imogen mit Ehrfurcht in der Stimme.
    Ich riss den Blick von Tibolts entschwindender Gestalt los (was nicht leicht war) und richtete ihn auf Imogen. Ihr töricht-versonnener Ausdruck entlockte mir ein Kichern, allerdings hegte ich den schrecklichen Verdacht, dass ich exakt die gleiche Miene zur Schau trug. »Ja, er ist ein heißer Feger, keine Frage, aber wie Soren bemerkte, ist er trotzdem nur ein Mann.«
    »Soren?« Imogen ließ ein damenhaftes Schnauben hören. Alles, was Imogen tat, war damenhaft. Sogar jetzt, obwohl sie gerade erst aufgestanden war und den Becher Milchkaffee umklammerte, den Peter, Sorens Vater, ihr gebracht hatte, sah sie atemberaubend aus. Sie hatte langes, lockiges Haar, ein Gespür für Mode, das mir ständig das Gefühl gab, als würde ich in Mülltüten herumlaufen, und so feine, schöne Gesichtszüge, dass ich sie auf Anhieb gehasst hätte, wäre sie ein normaler Mensch gewesen. Aber wenn Imogen eines nicht war, dann normal.
    Was im Grunde genommen auf jeden zutraf, der zum Markt gehörte.
    »Ja, ich weiß, er ist nur ein Junge, aber manchmal hat er mehr Durchblick als andere.«
    Lächelnd gab sie mein Handgelenk frei und tätschelte mir die Schulter. »Soren ist nur ein Jahr jünger als du, Fran, und damit alles andere als ein Kind.«
    Ich hob das Kinn und bedachte sie mit meinem selbstbewussten Lächeln, das ich immer übe, wenn ich allein im Wohnwagen bin. »Ja, aber zwischen fünfzehn und sechzehn besteht ein himmelweiter Unterschied. Ich habe immerhin einen Dämon ins Jenseits befördert und einen internationalen Dieb enttarnt. Von dieser ganzen Vampir-Geschichte gar nicht zu reden.«
    »Man nennt sie Dunkle«, korrigierte sie mich automatisch, bevor sie sich, an ihrem Milchkaffee nippend, zu ihrem Wohnwagen umdrehte.
    »Verzeihung, Dunkle. Jedenfalls bezweifle ich, dass ich das alles letztes Jahr zustande gebracht hätte, ohne eine ausgewachsene Panikattacke zu erleiden. Mit fünfzehn fühlt man sich manchmal so … na ja, wie
fünfzehn
eben.«
    »Hmm.« Sie wirkte wenig überzeugt und wechselte das Thema. »Apropos Benedikt. Er sollte bald eintreffen.«
    Ich hatte mich gerade in Richtung der Koppel hinter dem Pferdehänger in Bewegung gesetzt. Bruno, der Wallach, den Peter bei seinen Zauberkunststücken einsetzte, graste dort friedlich zusammen mit meinem betagten Hengst Tesla, den ich aus einer Laune heraus gekauft hatte. Doch bei Imogens Worten wirbelte ich zu ihr herum. »Was? Du hast von Ben gehört? Wo steckt er? Was ist mit ihm? Wieso ist er einfach sang- und klanglos verschwunden? Er hat nur diese kurze Nachricht hinterlassen, in der stand, dass er etwas Wichtiges zu erledigen hat und nicht weiß, wann er zurückkommt. Warum hat er keinem von uns gesagt, wo er hinwollte?«
    Imogen ging achselzuckend weiter. »Ich habe nicht persönlich von ihm gehört, aber ich spüre, dass er in der Nähe ist. Bestimmt wird er nach seiner Rückkehr alle deine Fragen beantworten.« Sie warf mir einen amüsierten Blick zu. »Immerhin bist du seine Auserwählte. Er kann dich nicht belügen.«
    »Hmpf«, sagte ich zu niemandem im Speziellen, bevor ich meinen Weg zu den grasenden Pferden fortsetzte und mich rasch bückte, um den Nylon-Strick aufzuheben. »Allmählich gelange ich zu der Überzeugung, dass diese Sache mit der Auserwählten die ganze Mühe nicht lohnt. Wenn Ben mich wirklich für den einzigen Menschen auf diesem Planeten hält, der seine Seele retten kann, sollte man eigentlich annehmen, dass er ein bisschen gesprächiger wäre im Hinblick darauf, wo er die letzten Wochen gesteckt, was er getrieben und warum er weder angerufen noch einen Brief geschickt hat.«
    Tesla wieherte leise, als ich zu ihm trat, und stupste seine große Pferdeschnauze gegen meinen Bauch, um mich nach Leckereien
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