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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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pinkeln.“
    Das fand Herr Schweitzer lustig, und er grinste. Inzwischen ähnelte die ganze Aktion mehr einer Groteske als einem räuberischen Überfall. Auch waren die Hände der Geiseln nicht mehr ganz so hoch erhoben, denn so ein Händehochhalten war auf Dauer doch recht anstrengend. Nicht so jedoch die Asiaten, deren Hände waren nach wie vor beispielhaft nach oben gereckt. Aber sie waren ja auch später gekommen und verfügten folglich noch über Kraftreserven.
    Ein letztes „Schnüff“ und Blondchen stand auf den Beinen und schaute dumm wie ein Schoppen Rotz in der Gegend umher. Der Bankräuber schubste sie in die Gruppe zurück, wo sie von Simon Schweitzer aufgefangen wurde, der dazu regelwidrig seine Hände zur Hilfe nehmen mußte, was aber toleriert wurde.
    „So. Jetzt alle mal herhören. Wir sind hier nicht zum Vergnügen.“
    Das hatte Herr Schweitzer sich schon gedacht.
    „Sie, Sie, Sie und du.“ Der Geiselnehmer deutete mit der Pistole nacheinander auf eine Türkin, einen alten Herrn mit feschem Jägerhut, eine offenbar schwangere Enddreißigerin – eine Schwangerschaft auf den letzten Drücker, sozusagen – und einen kleinen Jungen mit rosa Sparschwein, auf dessen Bauch jemand in ungelenker Schrift den Namen Hansi gepinselt hatte. Auf den Bauch des Sparschweins wohlgemerkt.
    „Hier rüberkommen.“ Die Pistole zeigte auf eine schwarze Marmorplatte zwischen all den hellgrauen. Die Angesprochenen gehorchten.
    „Und Sie, Sie und Sie“, damit waren die beiden Kassierer und die Blondine gemeint, „Auch hier rüberkommen. Ihr könnt gleich nach Hause gehen.“
    Die Banker gingen zu den anderen. Blondchen blieb stehen. Alle Blicke waren auf sie gerichtet. Doch das Frauenzimmer rührte sich noch immer nicht.
    Herr Schweitzer, des Schwachsinns überdrüssig, mischte sich erstmals ein: „Sie sollten zu denen da rüber gehen. Der nette Herr schickt Sie dann heim. Ist das nicht toll?“
    Stille. Langsam drehte sie sich um und schrie in einer Tonlage, die, wie in dem Blechtrommel-Film, Gläser hätte zerspringen lassen können: „Neiiin, neiiin. Ich will nicht sterben.“ Aber es standen keine Gläser herum, die hätten zerspringen können.
    Simon Schweitzer fand die Idee des Bankräubers, die Blondine vor die Tür zu setzen, sehr vernünftig, denn als Frau war sie keine Augenweide und als Geisel ohnehin eine Fehlbesetzung. Aber soweit war man noch nicht.
    Klatsch, klatsch. Der Geiselnehmer hatte ihr zwei Backpfeifen verpaßt und damit erstmals unmittelbar Gewalt angewendet, die jedoch, wie nicht anders zu erwarten, erfolglos war.
    „Nicht sterben“, jammerte Blondchen bloß, „nicht sterben.“
    Da packte der Bankräuber sie an der Jacke und schleuderte sie herum, so daß sie auf dem Hosenboden vor der zur Freilassung bereitstehenden Gruppe zum Sitzen kam. Niemand hätte dem Männeken so viel Kraft zugetraut und, eh man sich’s versah, waren die Hände aller ob dieser überzeugenden Machtdemonstration wieder ein wenig mehr in die Höhe geschnellt.
    „Und jetzt bilden wir eine hübsche Reihe. Du da, mit dem Schlüssel“, sprach der Geiselnehmer, „die Tür wieder aufschliessen, aber hopp.“
    Dabei begleitete er den Kassierer, der nun doch reichlich nervös wirkte.
    Für einige Sekunden war dem Bankräuber der Blick auf die restlichen Geiseln genommen, da durch die Reihe der zur Freilassung Vorgesehenen ein toter Winkel entstanden war.
    Herr Schweitzer bemerkte diesen Umstand und beschloß spornstreichs, den Versuch zu starten, seine Haut zu retten. Ihm blieb keine Zeit, die Chancen dafür auszuloten, vielmehr war es eine ganz und gar intrinsische Entscheidung aus dem Bauch heraus. Zu oft hatte er sich in der Vergangenheit schon gefragt, warum sich Menschen in Gefahr einfach abschlachten ließen. Ohne Gegenwehr. Wie paralysiert.
    Und nun, da er sich in einer ebensolchen Lage befand, war er bereit Wagnisse einzugehen, um sich nicht später, wenn er erst tot und erschossen war, vorwerfen zu müssen, nichts unternommen zu haben, um dem Schlamassel zu entrinnen. Er würde sich nicht einfach so abknallen lassen. Nein, das erwartete er einfach von sich. Er war bereit, dem Tod ins Antlitz zu schauen, auf daß spätere Generationen am Kaminfeuer Heldenepen über ihn, Herrn Schweitzer, erzählen mochten. Er gesellte sich auf leisen Sohlen als letzter in die Reihe.
    Und tatsächlich hatte der Bankräuber davon nichts mitbekommen. Lautlos ging die Schiebetür auf.
    „Auf geht’s. Abmarsch.“
    Die Reihe
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