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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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nicht überleben. Vorsichtig schnüffelte er in der Luft, doch wider Erwarten roch die Punkerin nicht. Herr Schweitzer glaubte sogar, ein Parfüm mit Vanilleodeur ausgemacht zu haben.
    Nach fünf Minuten war es immer noch keinen Meter vorangegangen. In der anderen Reihe allerdings auch nicht, doch hatte er in jener Schlange nun eine Nachbarin bekommen. Eine Dame jenseits der Sechzig, schätzte er, auch wenn eine jugendliche Bluejeans für Verwirrung sorgte. Ihr Einkaufswägelchen verriet sie als der Spezies zugehörig, die Herrn Schweitzer in letzter Zeit in atemberaubenden Manövern überholten und ihn wie angewurzelt aussehen ließen.
    Weitere zehn Minuten später war das Warten erträglicher geworden, denn er war in der Reihe nun so weit vorangeschritten, daß er neben einer Stellwand weilte, die das geschichtsträchtige Sachsenhausen anhand von Schwarzweißfotografien zeigte und der Kunden Groll ob der stumpfsinnigen Warterei abmildern sollte. Immerhin etwas. Insgesamt waren es vier weiße Stellwände, zwei an jeder Seite, von denen diejenige, vor der Simon Schweitzer stand, Sachsenhausen in einer Zeit präsentierte, in der die Dreikönigskirche am Mainufer noch alles überragte. Eine Luftaufnahme des Hippodroms, das im Jahre 1943 für immer vom Antlitz der Erde verschwunden war, fesselte Herrn Schweitzer gar sehr und ließ ihn in Erinnerungen an seine eigene Kindheit schwelgen, auch wenn diese lange Zeit nach dem Ende der damals größten deutschen Reitbahn stattgefunden hatte. Er fand es höchst seltsam, daß man an früher immerfort in schwarz-weißen Bildern dachte, obwohl der Himmel doch schon damals blau, die Blätter grün gewesen sein dürften. Davon ging er einfach aus.
    Eine andere Aufnahme zeigte die 1802 erbaute klassizistische Villa Metzler, in der heute das Museum für Kunsthandwerk untergebracht ist. Das Foto mußte im Herbst entstanden sein, schlußfolgerte Simon Schweitzer, denn Laub hatte den Rasen übersät. Diese detektivische Glanzleistung führte ihn zu seinem Schwager Hagedorn, für dessen kleine Detektei er heute abend noch ein paar vermeintliche Überstunden eines Finanzbuchhalters im Auftrag von dessen frustrierter Ehefrau als Seitensprung entlarven sollte. Diese gelegentlichen Aushilfsarbeiten sicherten ihm einen Lebensstandard, der es ihm erlaubte, allabendlich in die Kneipenwelt Sachsenhausens einzutauchen, in der er sich in harter Kleinarbeit seinen Platz als Stammkunde und ernstzunehmender Teilzeitphilosoph hier und dort erobert hatte.
    Simon Schweitzer unterdrückte ein Gähnen. Wenn das hier so weiterging, würde der Druck auf seine Blase zu einem echten Problem ausarten. Zwischen den Stellwänden entdeckte er einen Schirmständer und stellte seinen sogleich hinein. Der heftige Regenguß draußen würde ihn schon am Vergessen des Schirms hindern, denn Regenschirmvergessen war in letzter Zeit quasi zu seiner zweiten Natur geworden. Wenn er ihn nicht schon vorher zu Hause vergessen hatte, aber das widersprach dem ja nicht.
    Dann wurde seine Aufmerksamkeit von einem zu kurz geratenen Mann in blauer Arbeitsmontur abgelenkt, der einen silberfarbenen Container auf Rädern unter lautem Geschepper hereinrollte. Hektisch suchte er nach einer Abstellmöglichkeit und fand sie vor dem Kasten mit dem Schlitz für die Überweisungsaufträge. Zur Einleitung einer Verschnaufpause kratzte sich das Männeken am Sack und blickte sich im Schalterraum um. Obwohl Herr Schweitzer ein eher fortschrittlicher Typ war, hieß er das Befummeln der eigenen und auch fremder Genitalien in der Öffentlichkeit nicht gut. Das Männeken öffnete den Container, wobei er sich mangels Größe auf die Zehen stellen mußte, und kramte darin herum.
    Unterdessen hatte Simon Schweitzer eine Frau am Schalter entdeckt, die er zu kennen glaubte. Das Haar war blondiert, aber wirklich auffällig war ihr raumgreifendes Hinterteil, das ein Balancieren auf ihren roten Stöckelschuhen zu einer veritablen Aufgabe werden ließ, der nur wenige Frauen gewachsen waren. Doch Herrn Schweitzers Gedächtnis half auch dieses herausragende Merkmal nicht auf die Sprünge, woher er die Dame nun kannte, geschweige denn, wie ihr Name lautete. Vage ordnete er ihr ein Bildungsniveau zu, das unter aller Sau war. Auch brachte er sie irgendwie mit der Sachsenhäuser Hautevolee in Verbindung, ohne recht zu wissen warum. Bestimmt eine ehemalige Gespielin von so einem reichen Knacker, die mit den Jahren reichlich aus dem Leim gegangen war und nun
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