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Gehen (German Edition)

Gehen (German Edition)

Titel: Gehen (German Edition)
Autoren: Thomas Bernhard
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Erkenntnisfanatismus, sagt Oehler, aber nicht einen Augenblick zu weit denken. Jeden Augenblick können wir zu weit denken, sagt Oehler, einfach zu weit gehen in unserem Denken, sagt Oehler, und alles ist wertlos. Darauf komme ich jetzt wieder zurück, worauf Karrer immer wieder zurückgekommen war, sagt Oehler, daß es nämlich auf der Welt oder besser in dem, was wir als die Welt bezeichnen, weil wir es immer als die Welt bezeichnet haben, überhaupt keinen Verstand gibt, analysieren wir, was der Verstand ist, müssen wir sagen, es gibt überhaupt keinen Verstand, aber das hat Karrer schon analysiert, sagt Oehler, daß es nämlich, wie Karrer ganz richtig gesagt hat und worauf er durch fortgesetzte Beschäftigung mit diesem unglaublich faszinierenden Gegenstand schließlich gekommen ist, keinen Verstand, sondern nur einen Unterverstand gibt. Der sogenannte menschliche Verstand, sagt Oehler, ist, wie Karrer gesagt hat, immer nurein sogenannter Unterverstand, auch Subverstand. Denn wäre Verstand möglich, sagt Oehler, wäre ja auch Geschichte möglich, aber Geschichte ist nicht möglich, weil Verstand nicht möglich ist, und aus Unterverstand oder Subverstand, eine Erfindung Karrers, sagt Oehler, entsteht Geschichte nicht. Die Tatsache des Unterverstandes oder des sogenannten Subverstandes, sagt Oehler, ermöglicht aber zweifellos den Fortbestand der Natur durch die Menschen. Hätte ich Verstand, sagt Oehler, hätte ich ununterbrochen Verstand, sagt er, hätte ich mich längst umgebracht, aber ich habe mich nicht umgebracht, weil ich nicht ununterbrochen Verstand habe. Was an dem oder von dem, was ich sage, zu verstehen ist, sagt Oehler, ist daran zu verstehen, was daran nicht zu verstehen ist, ist daran nicht zu verstehen. Wenn auch nicht alles zu verstehen sei, so sei doch alles eindeutig, sagt Oehler. Was wir Denken nennen, hat ja auch mit Verstand nichts zu tun, sagt Oehler, hierin hat Karrer recht, wenn er sagt, wir haben keinen Verstand, weil wir denken, denn Verstand zu haben, bedeutete, nicht zu denken und also kein Denken zu haben. Was wir haben, ist nichts als nur Verstandesersatz. Ein Ersatzdenken ermöglicht unsere Existenz. Das ganze Denken, das gedacht wird, ist ein Ersatzdenken, weil wirkliches Denken nicht möglich ist, weil es wirkliches Denken nicht gibt, weil die Natur wirkliches Denken ausschließt, weil sie wirkliches Denken ausschließen muß. Sie mögen mich jetzt für verrückt halten, sagt Oehler, aber wirkliches und das heißt, tatsächliches Denken, ist vollkommen ausgeschlossen. Wir bezeichnen aber, was wir für Denken halten, als Denken, wie wir als Gehen bezeichnen, was wir für Gehen halten, wie wir sagen, wir gehen, wenn wir glauben, wir gehen und gehen, sagt Oehler. Was ich jetzt gesagt habe, hat überhaupt nichts mit Ursache und Wirkung zu tun, sagt Oehler. Und sagen wir ruhig Denken , wo es sich nicht um Denken handelt, und sagen wir ruhig Verstand , wo es sich überhaupt nicht um Verstand handeln kann, und sagen wir ruhig,es handle sich um alle Begriffe , um die es sich überhaupt nicht handeln kann. Nur dadurch, daß wir Handlungen und Dinge als Handlungen und Dinge bezeichnen, die diese Handlungen und diese Dinge überhaupt nicht sind, weil sie diese Handlungen und diese Dinge überhaupt nicht sein können, kommen wir weiter, nur dadurch, sagt Oehler, ist etwas möglich, ist also alles möglich. Die Erfahrung ist eine Tatsache, um die und vor allem unter die wir unter keinen Umständen mehr kommen, sagt Oehler. Aber es ist andererseits ebenso tatsächlich, daß wir immer genau oder aber auch viel weiter unter dieser Tatsache handeln, was ich tue (und erkenne), wenn ich sage, diese Kinder, die wir hier in der Klosterneuburgerstraße sehen, sind gemacht worden, weil der Verstand ausgesetzt hat, ist nicht das, was ist. Ich sage aber, obwohl ich weiß, daß das nicht richtig, weil falsch ist, diese Kinder, die wir hier in der Klosterneuburgerstraße sehen, sind gemacht worden, weil der Verstand ausgesetzt hat, obwohl wir wissen, daß die in dem Satz verwendeten Begriffe und folglich auch die in dem Satz verwendeten Wörter falsch sind und also, wie wir wissen, alles in diesem Satz falsch ist. Wenn wir uns aber an unsere Erfahrung halten, die eine oberste Linie ist, können wir uns überhaupt nicht unterhalten, dann existieren wir überhaupt nicht mehr, sagt Oehler. Ohne weiteres sage ich also doch, diese Kinder, die wir hier in der Klosterneuburgerstraße sehen, sind gemacht worden,
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