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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Mary Hooper
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wenn sie erraten konnte, unter welcher seiner drei Tassen sich eine Bohne befand. Sie war sich sicher gewesen, dass sie das richtig erraten konnte – es sah doch so einfach aus, und wäre Grace nicht hochzufrieden mit ihr?   –, doch die Bohne war nie unter der Tasse, auf die sie zeigte.
    Als Lily am nächsten Morgen erwachte, ging ihr mit Entsetzen auf, dass kein Geld mehr da war – nichtein einziger Penny, mit dem sie zum Markt gehen und frische Brunnenkresse kaufen konnte, um sie feilzubieten. Es war allerdings nicht das erste Mal, dass ihnen das passierte, und im Bett liegend dachte Lily angestrengt nach, was sie tun sollte. Endlich stieß sie auf die Lösung: Natürlich, sie würde etwas zum Pfandleiher bringen! Das tat Grace auch immer, wenn sie nicht genügend Geld eingenommen hatten, um sich mit neuer Ware einzudecken.
    Sie blickte sich im Zimmer nach einem geeigneten Gegenstand um, doch abgesehen vom Bett (das sowieso Mrs   Macready gehörte), gab es nicht viel: eine Matratze aus Stroh, zwei Kissen, drei dünne Decken und mehrere Holzkisten. Ein paar der Holzkisten enthielten ihre spärlichen Kleider und Besitztümer, zwei waren leer und dienten, umgedreht, als Sitzgelegenheit. Grace hatte sich bereits überlegt – soweit sie überhaupt etwas in dieser Richtung überlegt hatte   –, eine davon als Bettchen für das Baby zu verwenden.
    Lily blickte sich stirnrunzelnd um. Die Decken würde Grace bestimmt nicht verkaufen wollen, das wusste sie, denn die brauchten sie, wenn es kalt wurde. Als sie bei Mrs   Macready eingezogen waren, hatten sie noch fünf Decken gehabt und vier Kopfkissen. Und davor, als sie noch im Waisenhaus gewohnt hatten, hatten sie weiche, gebleichte Bettlaken und eine Decke mit richtigen Entendaunen gehabt und eine Tagesdecke, die Mama genäht hatte, mit den Segenssprüchen, die ihre Mutter als Mädchen daraufgestickthatte:
Herr, segne unser Haus
und
Behüt’ dich Gott
. Ein paar von ihren Sachen waren allerdings über die Jahre gestohlen worden, der Rest verkauft oder verpfändet, samt dem Großteil ihrer Winterkleider. Der Verlust ihrer Kleider hatte Lily nicht viel ausgemacht, da sie sowieso kaum etwas darauf gab, wie sie aussah, doch ihre Puppe Primrose, die so groß wie ein richtiges Baby gewesen war und echtes Haar hatte und einen rosenroten Mund in einem Gesichtchen aus Porzellan, die vermisste sie sehr. Nun hoffte sie, dass das Baby, das Grace mitbrachte, ein wenig wie Primrose sein würde, ein hübsches kleines Ding, mit dem man spielen konnte und das man beim Kresseverkaufen als kleines Bündel verschnürt auf dem rücken trug. Bestimmt würden die Kunden stehen bleiben und das Baby bewundern und streicheln – und vielleicht um seinetwillen ein wenig mehr geben.
    Lily fing an, die Gegenstände in den Kisten durchzusehen. Eine Kiste beinhaltete, was sie »Mamas Schätze« nannten: eine Teekanne aus hauchdünnem Porzellan mit handgemalten Vögeln darauf und eine dazu passende Tasse mit Unterteller; eine leere Ringschachtel; eine aus Porzellan gefertigte Muschel, die in so zart schimmerndem Rosarot bemalt war, dass sie aussah wie echt; der Hut, den Mama bei ihrer Hochzeit getragen hatte, und ein Stück Spitze, das ihr als Schleier gedient hatte. Lily wickelte die Gegenstände der Reihe nach aus und bewunderte sie, dann packte sie alles wieder in die Kiste zurück, wobei sie fast zuatmen vergaß, so sehr konzentrierte sie sich darauf, nur ja nichts zu zerbrechen. Ein paar Kleidungsstücke befanden sich auch noch in der Kiste, allerdings leider nicht jene, die am kostbarsten waren – Schuhe; davon besaßen beide Mädchen jeweils nur das eine Paar, das sie an den Füßen trugen. Lily nahm einen Schal in die Hand und überlegte, ob sie lieber den verkaufen sollte anstatt einer Decke. Würde Grace verärgert sein, wenn sie es tat, oder sie im Gegenteil für ihr vernünftiges Handeln loben? Wenn sie den Schal auf einem Altkleidermarkt feilbot, wie viel sollte sie wohl dafür verlangen (denn er war ziemlich dünn und an einigen Stellen schon durchgewetzt), und wäre Grace dann wohl mit der Summe zufrieden? Würde es reichen, um davon frische Ware zu kaufen? Und sollte sie mit dem Ertrag Brunnenkresse kaufen oder doch lieber zwei Stück Kartoffelauflauf zum Abendessen, die sie in Mrs   Macreadys Ofen aufwärmen könnten? Aber wenn Grace nun nicht rechtzeitig nach Hause kam, um den Auflauf zu essen, und er verdarb?
    Die Fragen wirbelten nur so in Lilys Kopf herum und entlockten
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