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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Mary Hooper
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wie betäubt nach Hause. Nicht einmal die Tränen wollten fließen, so bestürzt war sie. Währenddessen bewunderten Mr   Morrell, der Pfandleiher, und Ernie, der Trödelhändler, die Teekanne aus Meißner Porzellan, die sicher und unversehrt auf dem Geheimregal an der Rückseite der Ladentheke stand.

NICHTS AHNEND GING ER DURCH DIE FLUR
    BEDACHTE NICHT DIE LEBENSUHR
    DA PLÖTZLICH SPRACH DER TOD IHN AN
    WARF IHN AUS SEINER LEBENSBAHN.
    Grabinschrift

Kapitel 4
    »
›Der Garten des ewigen Schlafs‹«, murmelte Grace, das Bahnhofsschild lesend. Dann fügte sie, an sich selbst gewandt, hinzu: »Mein Baby wird bei Miss Susannah Solent im Garten des ewigen Schlafs gut aufgehoben sein.« Wenn man es so sagte, klang es fast erträglich. Als ob die Verstorbenen sich bloß in der Erde ausruhten, bis sie eines Frühlings alle auferstehen würden. Grace wusste, dass sie dies eigentlich glauben sollte, doch es fiel ihr schwer.
    Der Zug fuhr inmitten von Dampfwolken in den Bahnhof ein. Sobald er zum Stehen gekommen war, stiegen die Zylinder tragenden Herren der Bestattungsgesellschaften aus und standen bereit, um die Trauernden mit unterwürfigen Verbeugungen in Empfangzu nehmen und zu den Grabstätten ihrer Liebsten zu geleiten. Während sich die Trauergäste in Grüppchen sammelten und für den letzten Teil der Reise aufstellten, ging Grace ein wenig näher zu dem Wagen mit den Särgen. Diese wurden inzwischen, abseits von den Blicken der Öffentlichkeit, zugenagelt (diese kleine Zeremonie ließ man bis zuletzt, als Vorsichtsmaßnahme, damit niemand begraben würde, der seinen letzten Atemzug noch nicht getan hatte). Erst dann wurden die Türen des Waggons geöffnet und die Särge ausgeladen. Für die meisten Beerdigungen der ersten Klasse stand ein eigener Leichenwagen bereit, zusammen mit einem Priester oder einem schwarz gekleideten Sargbegleiter, der den Trauerzug anführte, während bei den Armenbegräbnissen ein einfacher Handkarren Verwendung fand, gezogen von Freunden oder Angehörigen, die sich das Zugticket von London hierher hatten leisten können. Auch die Armen bevorzugten Brookwood für ihre Beerdigungen, denn selbst wenn die Beerdigungszeremonie für arme Leute eine ganz gewöhnliche war, so garantierte die enorme Fläche des Friedhofs doch, dass jeder Verstorbene sein eigenes Grab erhielt, anstatt, wie in London üblich, mit zahllosen anderen in ein Massengrab geworfen zu werden.
    Grace beobachtete aus diskreter Entfernung, wie die Särge aus dem Waggon geladen wurden. Sie wusste genau, welcher der von Susannah Solent war: der helle Eichensarg im letzten Abschnitt. Sie sah,wie er von den Männern des Leichenbestatters abgeholt, auf die Schultern gehoben und sanft auf den bereitstehenden, mit Glas überwölbten Leichenwagen geschoben wurde, wo er in weiße Blumen eingehüllt lag. In sicherem Abstand folgte Grace den mit schwarzen Federn geschmückten Pferden auf ihrer langsamen Prozession zwischen Bäumen und Büschen hindurch, denn sie wollte genau wissen, wo ihr Kind begraben lag, für den Fall, dass sie sich je einmal eine Fahrkarte hierher leisten konnte, um an seinem Grab zu trauern.
    Zu dem Leichenzug von Miss Solent gehörten ungefähr zwanzig Trauergäste, darunter nur eine einzige Frau, die mit Schleiern aus schwarzem Krepp so dicht verhüllt war, dass man kaum etwas von ihr ausmachen konnte. Ob das Miss Solents Mutter war? Oder ihre Schwester, eine Tante, eine enge Freundin? Unmöglich, Genaueres zu sagen.
    Die Prozession kam zum Stehen. Miss Solents Grab befand sich auf einer Lichtung hinter einer Reihe frisch gepflanzter Zedern – so frisch gepflanzt, dass die Gärtner noch an diesem Morgen unmittelbar bis zur Ankunft des Zugs dort gegraben hatten. Als sie den Zug im Bahnhof einfahren hörten, hatten sie sich rasch zurückgezogen, um die Intimsphäre der Trauergäste nicht zu verletzen, hatten dabei jedoch eine schwere Gabel in der Erde vergessen. Grace stolperte darüber, verstauchte sich den Knöchel und konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, der jedoch nurvon einem in ihrer Nähe stehenden Trauergast vernommen wurde, während die anderen weiterhin gebannt den Worten des Priesters lauschten oder in ihrem eigenen Schmerz versunken waren.
    Mr   James Solent, der in der Trauergemeinde am Grab seiner Schwester ganz hinten stand, dachte zunächst, das Geräusch müsse von einem Waldtier stammen, das sich in einer Falle verfangen hatte. Als er sich umdrehte, sah er jedoch im Unterholz ein
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