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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Mary Hooper
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Glas Bier schmecken ließ.
    »Ich habe dich ein paar Tage lang nicht gesehen, Kind. Ist alles in Ordnung?«
    »Mir geht es gut, danke«, gab Grace zurück. Wenn man sich jemandem anvertrauen wollte, wäre MrsMacready bestimmt die Richtige, ging es ihr durch den Kopf, aber welchen Sinn hätte das jetzt noch?
    »Bist du ganz sicher?«, fragte Mrs   Macready und blickte sie bedeutungsvoll an.
    »Ganz sicher, danke«, erwiderte Grace lächelnd und ohne sich etwas anmerken zu lassen, obwohl sie sich darüber keineswegs ganz sicher war, nein, im Gegenteil, sie war sogar ziemlich froh, dass der Gemüsehändler mit in der Küche saß, sonst hätte sie sich womöglich vor Mrs   Macreadys Stuhl auf den Boden geworfen, ihr alles erzählt und sich die Seele aus dem Leib geweint.
    »Und wie läuft das Kressegeschäft?«, fragte der Gemüsehändler.
    »Gut bis mäßig«, gab Grace zurück.
    »Hm, liegt an der Jahreszeit«, brummte er. »Da läuft’s nirgendwo prächtig.«
    »Das stimmt«, pflichtete Grace bei. »Aber jetzt muss ich mich entschuldigen, Lily wartet schon.«
    »Ah«, rief Mrs   Macready. »Du bist ein Engel, so wie du dich um deine Schwester kümmerst. Fürwahr, das bist du.«
    Noch vor Sonnenaufgang am nächsten Morgen, zu einer Zeit, als die einzigen Leute auf der Straße die Milchmädchen und Viehtreiber waren, brachen Grace und Lily zum Farringdon Markt auf, um Brunnenkresse zu kaufen. Das Kressegeschäft teilten sich vor allem die ganz Alten und die ganz Jungen, weil derAnkauf nicht mehr als ein paar Pennys erforderte und die Ware leicht zu tragen war. Diese Leute waren die Ärmsten überhaupt, und Grace und Lily zählten zu den wenigen unter ihnen, die Schuhe trugen. Verkauft wurde die Kresse entlang des Zauns am Eingang zum Markt, wo die hell brennenden Gaslaternen es den Käufern ermöglichten, die angebotene Ware genau in Augenschein zu nehmen. Auch ein Kaffeehändler hatte seinen Stand am Eingang aufgebaut und ein Feuer in einem Kohlenbecken angeschürt, um das sich nun die ersten Kunden drängten, um sich ein wenig aufzuwärmen.
    Um fünf Uhr öffneten die vom Land hereinkommenden Großhändler ihre Warenkörbe. Die Käufer – ausgestattet mit Taschen, Schultertüchern, Bauchläden oder ausgefransten Körben, in denen sie das Grünzeug sammelten – fingen nun an, vor den Körben auf und ab zu gehen, die Ware zu begutachten, Preise zu erfragen und die Qualität zu prüfen, indem sie die Ware ins Licht hielten, um die Farbe der Blätter besser zu sehen, oder daran rochen, um ihre Frische zu beurteilen. Nachdem Grace und Lily ihren Einkauf getätigt hatten – sechs große Büschel zu je einem Penny   –, gingen sie damit zu einer Wasserpumpe, benetzten die Kresse mit Wasser und zupften die welken Blätter ab. Dann setzten sie sich auf das Pflaster und machten sich daran, jedes große Büschel in drei oder vier kleinere zu zerteilen und mit Binsen zusammenzubinden. Lily fror an den Fingern und besaßweder die Geduld noch das Geschick, die fisseligen kleinen Sträußchen zu binden, doch Grace war inzwischen so geschickt und schnell darin, dass sie vier davon schaffte, während Lily noch mit ihrem ersten kämpfte.
    Als sie ihre Kressesträußchen fertig hatten, ging es ans Verkaufen. Lily trug etwa die Hälfte davon in einem extra mitgebrachten Umhängetuch, Grace bot die andere Hälfte auf einem alten Teetablett feil, das sie im Armwinkel trug. Grace pries ihre Ware mit den Worten »Feine, frische Brunnenkresse!« an, Lily rief »Kresse, frische grüne Kresse!«.
    Wie unbehaglich sie sich gefühlt hatten, als sie das erste Mal ihre Waren angepriesen hatten: Ganz schüchtern, fast flüsternd, hatte es geklungen – als wollten sie sich dafür entschuldigen, dass sie überhaupt etwas sagten. Über die Monate waren sie jedoch kühner geworden, weil sie sonst schlicht verhungert wären.
    Auf den Straßen ging es geschäftig zu an diesem klaren und frischen Morgen, und die beiden Mädchen konnten mehrere ihrer Kressesträußchen an Männer auf dem Weg zur Arbeit verkaufen und etwas später dann an Hausfrauen, die nach einer herb-würzigen Beilage zu ihrem Abendessen aus Brot und Käse suchten. Es wurde ein guter Tag für die beiden Mädchen: Um elf Uhr hatte Grace bereits ihre gesamte Ware verkauft, wobei ihr hübsches Gesicht und der Ernst, der in ihrer ganzen Erscheinung lag, bei Männernund Frauen gleichermaßen Sympathie erweckten und ihr des Öfteren mehr als den verlangten Halfpenny für einen Bund
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