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GEHEIMNISSE DER NACHT

GEHEIMNISSE DER NACHT

Titel: GEHEIMNISSE DER NACHT
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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Stoffballen dort fixieren sollten, streckte mir dann eine Hand entgegen und half mir auf. Im selben Moment erkannte ich den Umriss des alten Mannes, der hinter ihr lauerte.
    Ich öffnete meinen Mund, um sie zu warnen.
    Doch ehe ich ein Wort sagen konnte, drehte Sarafina sich mit solcher Geschwindigkeit um, dass mir schwindelig wurde. Das Gewehr des Bauern flog durch die Luft, außer Sichtweite, und feuerte ziellos in die Wälder, als es auf den Boden auftraf. Und Sarafina, die schöne, elegante Frau, die mich so in ihren Bann gezogen hatte, packte den Bauern an seinem Hemd und riss ihn an sich. Ehe ich überhaupt reagieren konnte, hatte sie ihren Mund an seinen Hals gelegt.
    Ich hörte die Geräusche … und sah, trotz der Dunkelheit jetzt sehr deutlich, was sie tat. Sie trank … sein Blut. Labte sich an seiner Kehle. Am Anfang schlug der Bauer auf ihren Rücken ein und trat nach ihr, doch dann … ergab er sich einfach. Ich hörte sein Seufzen, beobachtete, wie er die Augen schloss und sogar seine Arme um sie schlang. Er ließ seinen Kopf zurückfallen und rieb seine Hüften an Sarafinas, während sie weiter an seinem Hals saugte.
    Und dann war kein Leben mehr in ihm.
    Sie ließ sein Hemd los, und sein lebloser Körper fiel zu Boden. Leer. Eine Lumpenpuppe. Vollkommen ausgesaugt.
    Mit einem ihrer Schals tupfte Sarafina sich vornehm die Mundwinkel, während sie sich zu mir umdrehte. Ich starrte sie an und bewegte den Mund, ohne einen Laut von mir zu geben.
    „Schau mich nicht so schockiert an, Dante. Begreifst du wirklich erst jetzt? Hmm? Wir sind Nosferatu. Wir sind untot.“ Sie leckte sich die Lippen, legte ihren Kopf zur Seite und schenkte mir ein dünnes Lächeln. „Vampire“, flüsterte sie, und ich hätte schwören können, der Nachtwind nahm das Wort und wiederholte es tausendmal, in tausend Stimmen.
    Vampire.
    Ein Windstoß aus einer unsichtbaren Quelle ließ die Kerzenflammen flackern. Morgan löste ihren Blick von den verwitterten Seiten und sah sich automatisch um. Aber natürlich war niemand dort. Nichts war dort. Das alles war nicht echt.
    Es war nicht echt.
    „Oh mein Gott“, flüsterte Morgan. „Das ist kein Tagebuch. Keine Memoiren. Es ist … Es ist nur eine Geschichte. Eine unglaubliche, atemberaubende Geschichte!“
    Oh, vielleicht nicht für den Mann, der sie geschrieben hatte. Der wunderbar wahnsinnige Künstler, der dieses Märchen erschuf, glaubte vielleicht sogar daran. Man stelle sich vor. Ein Mann, der tatsächlich dachte, ein Vampir zu sein. Ein Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach hier gewohnt hatte. Genau hier. In diesem Haus.
    Etwas kratzte an der Fensterscheibe, und Morgan wirbelte herum, ihre Hand auf ihre Brust gedrückt, wo ihr Herz wild klopfte. Aber es war nur ein Ast, gebogen wie eine Klaue, der gegen das Glas schabte. Keine Kreatur der Nacht, die sich Dante nannte, war zurückgekommen, um ihre Tagebücher und ihr Haus für sich zu beanspruchen. Natürlich nicht. Vampire gab es nicht.
    Das unerwartete Geräusch und der Schreck lösten ein Schwindelgefühl bei Morgan aus, und ihr Herz trommelte wild. Sie wartete, bis es sich beruhigt hatte. Die Atemnot verging, wie sie es immer tat. Sie nahm einige tiefe reinigende Atemzüge und sah auf ihre Uhr. Sie hatte stundenlang auf dem dunklen muffigen Dachboden gesessen, in der ausgedachten Welt eines Wahnsinnigen verloren. Und dabei hätte sie an ihrer eigenen fesselnden Geschichte arbeiten sollen.
    Gott, wie sollte sie es jemals schaffen, in drei Monaten ein verkaufbares Drehbuch für David fertig zu haben? Besonders jetzt, wo sie nichts anderes wollte, als diese unglaubliche Geschichte weiterzulesen.
    Sie fragte sich beiläufig, wie lange der fantasievolle Dante wohl für sein Buch benötigt hatte. Nicht lange, dachte sie – falls jedes Tagebuch auf dem Stapel gefüllt war. Und selbst dann wusste sie nicht, wie er es in einem einzigen kurzen Leben geschafft haben konnte, so viel zu schreiben.
    Jetzt war er tot. Er musste tot sein, weil sie endlich ein Datum gefunden hatte und daran kein Zweifel bestehen konnte. Und seine Worte, seine Geschichten – sie lagen einfach da, unberührt. So lebendig, so wunderbar geschrieben; es brach ihr fast das Herz, dass sie nie der Welt mitgeteilt worden waren. Gott, wenn sie etwas so Gutes geschrieben hätte, und niemand es je gesehen hätte, wäre sie …
    Oh.
    Oh. Der Gedanke, der ihr gerade gekommen war! Es könnte doch ihre Arbeit werden. Für alle anderen konnten diese Worte von ihr
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