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GEHEIMNISSE DER NACHT

GEHEIMNISSE DER NACHT

Titel: GEHEIMNISSE DER NACHT
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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meiner Mutter. Meine bloßen Füße bewegten sich mit jedem zögerlichen Schritt nur wenige Zentimeter auf dem kühlen Erdboden vorwärts. Als ich mich vorwagte, begannen auch die anderen, von meiner Kühnheit selbst ermutigt, hervorzutreten. Wir sammelten uns langsam um die schöne Fremde, wie Sünder, die sich um die Füße einer Göttin scharten, um sie anzubeten. Und während wir das taten, wurde ihr Lächeln immer breiter. Sie lockte uns näher, hatte dabei einen Finger auf ihre Lippen gelegt, und dann setzte sie sich auf einen Baumstamm in der Nähe des Lagerfeuers.
    „Wer ist sie?“, flüsterte ich Dimitri zu, denn auch er hatte sich uns jetzt angeschlossen, beschämt, schien es mir, nicht von Anfang an unser Anführer gewesen zu sein.
    „Trottel, weißt du denn gar nichts? Sie ist unsere Tante.“ Er schüttelte verständnislos den Kopf und wandte seinen hingerissenen Blick dann wieder der Frau zu. „Ihr Name ist Sarafina“, klärte er mich auf. „Sie kommt manchmal zu uns … du bist wohl zu jung, um dich an ihren letzten Besuch zu erinnern. Sie darf eigentlich nicht hier sein. Wenn die Erwachsenen sie finden, gibt es Ärger.“
    „Warum?“ Auch ich war von der geheimnisvollen Fremden wie gefesselt, als sie sich auf den Baumstamm setzte und die Lagen ihrer bunten Röcke um sich ausbreitete. Sie öffnete ihre Arme, um die Jungen willkommen zu heißen, die sich zusammengeschart um sie herum auf den Boden gesetzt hatten. Ich saß ihr am nächsten, gleich zu ihren Füßen. Noch nie hatte ich eine so schöne Frau gesehen. Aber da war noch etwas anderes an ihr. Etwas … Überirdisches. Etwas Furchtbares.
    Und da war noch die Art, wie ihr Blick immer wieder meinem begegnete. Es lag ein Geheimnis in diesem schwarzen Blick – ein Geheimnis, das ich nicht zu sehen vermochte. Etwas in den Schatten, verborgen.
    „Warum wird es Ärger geben?“, flüsterte ich erneut.
    „Warum, warum! Sie ist eine Ausgestoßene!“
    Erstaunt zog ich meine Brauen nach oben. Ich wollte gerade fragen, warum, als die Frau – meine Tante Sarafina, die ich nie zuvor im Leben gesehen hatte – zu sprechen begann. Ihre Stimme klang wie eine Melodie. Fesselnd, tief, verlockend.
    „Kommt, meine Kleinen. Oh, wie ich euch vermisst habe.“ Ihr Blick wanderte über die Gesichter der Kinder, und der Ausdruck darin war kaum zu ertragen, so starke Gefühle lagen darin. „Aber die meisten von euch erinnern sich wohl gar nicht an mich?“ Ihr Lächeln verblasste. „Und du, kleiner Dante. Du bist jetzt … wie alt?“
    „Sieben“, sagte ich ihr, meine Stimme nicht lauter als ein Flüstern.
    „Sieben Jahre“, antwortete sie mit einem schweren Seufzen. „Ich war hier am Tag, als du geboren wurdest, weißt du.“
    „Nein. Das … wusste ich nicht.“
    „Es ist auch egal. Oh, Kinder, ich habe euch so viel zu erzählen. Aber zuerst …“ Sie zog einen Beutel auf, der ihr von der Schärpe um ihre Hüfte baumelte, und daraus zog sie fantastische Dinge, die sie an alle verteilte. Süßigkeiten und Gebäck, wie wir es noch nie gekostet hatten, verpackt in leuchtend buntes Papier. Glitzernden Tand an Ketten, und funkelnde Steine aller Arten, geschnitzt als Vögel oder andere Tiere.
    Mir gab sie einen schwarzen Onyx in Form einer Fledermaus. Ich zitterte, als sie den kalten Stein in meine Handfläche legte.
    Als der Beutel leer war und die Kinder wieder ruhig, begann sie, zu erzählen. „Ich habe so viele Dinge gesehen, meine Kleinen. Dinge, die ihr nicht glauben würdet. Ich bin in die Wüstenländer gereist und habe dort Gebäude gesehen, so groß wie Gebirge – jeder Stein größer als ein Zigeunerwagen! Sie sind vollkommen und glatt und verlaufen zu einer Spitze.“ Sie benutzte ihre Hände, um vor uns die Form dieser Wunder aufzuzeigen. „Niemand weiß, wer sie gebaut hat, und auch nicht, warum. Einige sagen, sie seien schon immer dort gewesen. Andere sagen, sie wurden als Denkmäler für alte Könige gebaut … und dass die Leichen dieser Regenten sich immer noch darin befinden, zusammen mit unbeschreiblichen Schätzen!“ Als wir unsere Augen weit aufrissen, nickte sie eindringlich, bis ihre rabenschwarzen Locken tanzten und ihre Ohrringe klimperten. „Ich bin über das Meer gereist … zu dem Land dahinter, wo es Kreaturen gibt mit Hälsen, so lang wie … wie diese Eibe dort. Sie gehen auf Beinen wie Stelzen und knabbern die jungen Blätter aus den Wipfeln der Bäume. Sie sind goldgelb und gefleckt! Und aus den Köpfen wachsen
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