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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht
Autoren: Ilona Andrews
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damals nichts Neues.
    Als die Infizierten zum ersten Mal auftauchten – begleitet von lautem Geschrei darüber, dass die Toten sich erheben und dass der Tag des Jüngsten Gerichts gekommen sei –, benahmen sie sich genauso, wie die Horrorfilme es uns seit Jahrzehnten gezeigt hatten. Das einzig Überraschende war, dass es diesmal in echt passierte.
    Die Seuche brach ohne Vorwarnung aus. An einem Tag war alles normal, und am nächsten standen Leute, die eigentlich tot sein sollten, auf und attackierten alles in Reichweite. Das war ziemlich verstörend für alle Beteiligten, mit Ausnahme der Infizierten, die darüber hinaus waren, sich über solche Dinge aufzuregen. Nach dem ersten Schock gab es viel Gerenne und Gekreische, und daraus wurden schließlich weitere Infektionen und weitere Attacken, wie die Dinge eben so laufen. Und was haben wir jetzt, in diesen aufgeklärten Zeiten sechsundzwanzig Jahre nach dem Erwachen? Idioten, die Zombies mit Stöcken anstupsen, womit wir wieder bei meinem Bruder wären und dabei, warum er wohl kein langes und erfülltes Leben vor sich hat.
    »He George, jetzt schau dir mal das an!«, rief er und stieß den Zombie noch einmal mit seinem Hockeyschläger gegen den Brustkorb. Der Zombie gab ein tiefes Stöhnen von sich und fuchtelte unbeholfen herum. Offenbar war das Virus bei ihm schon länger voll aktiv gewesen, und er hatte weder die nötige Kraft noch die Geschicklichkeit dazu, Shaun den Stock aus der Hand zu schlagen. Das muss ich Shaun zugestehen: Er ist immerhin schlau genug, sich nicht zu nah an die noch Frischen heranzuwagen. »Wir spielen Fangen!«
    »Hör auf, die Eingeborenen gegen uns aufzubringen, und schwing dich in den Sattel«, sagte ich und bedachte ihn mit einem bösen Blick durch meine Sonnenbrille. Sein derzeitiger Spielkamerad mochte vielleicht so krank sein, dass er kurz vor seinem zweiten, endgültigen Tod stand, aber das bedeutete nicht, dass sich in der Gegend nicht auch gesündere Rudel rumtreiben konnten. Santa Cruz ist Zombieterritorium. Dort geht man nur hin, wenn man selbstmordgefährdet, dumm oder beides ist. Es gibt Momente, da bin nicht mal ich mir sicher, welche dieser Möglichkeiten auf Shaun zutrifft.
    »Keine Zeit zum Reden! Ich bin damit beschäftigt, mich mit den Eingeborenen anzufreunden!«
    »Shaun Phillip Mason, du steigst sofort wieder auf dieses Motorrad, sonst schwöre ich bei Gott, dass ich wegfahre und dich hier zurücklasse.«
    Shaun schaute sich um, und in seinen Augen leuchtete plötzlich Interesse auf, während er dem Zombie den ausgestreckten Hockeyschläger vor die Brust drückte, um ihn auf sicherem Abstand zu halten. »Ehrlich? Das würdest du für mich machen? ›Meine Schwester hat mich ohne fahrbaren Untersatz im Zombieland zurückgelassen‹ klingt nämlich nach einer tollen Schlagzeile.«
    »Nach einem tollen Nachruf vielleicht«, blaffte ich. »Steig verdammt noch mal auf! «
    »Gleich!«, sagte er lachend und wandte sich wieder seinem ächzenden Freund zu.
    Im Rückblick betrachtet war das der Moment, ab dem alles voll danebenging.
    Das Rudel hatte uns wahrscheinlich schon verfolgt, bevor wir in die Stadt gekommen waren, und auf dem Weg beständig Verstärkung angesammelt. Je größer die Infiziertenrudel sind, desto schlauer und gefährlicher werden sie. Gruppen von vier oder weniger sind kaum eine Bedrohung, solange sie einen nicht in die Ecke drängen, aber ein Zwanzigerrudel hat gute Aussichten, jede Barriere zu durchbrechen, die die Nichtinfizierten errichten. Wenn man genug Infizierte auf einem Haufen hat, fangen sie an, bei der Jagd Rudeltaktiken zu entwickeln: Sie werden zu richtigen Strategen. Es ist, als würde das Virus, das sie übernommen hat, zu denken anfangen, sobald es genügend Wirte auf einem Fleck hat. Das kann einem höllisch Angst machen, und es ist so ziemlich der schlimmste Albtraum eines jeden, der regelmäßig Zombieterritorium betritt – von einer großen Gruppe in die Ecke gedrängt zu werden, die das Gelände besser kennt als man selbst.
    Diese Zombies kannten das Gelände besser als wir, und selbst das unterernährteste und virusgeplagteste Rudel weiß, wie man einen Hinterhalt legt. Ein tiefes Stöhnen hallte von allen Seiten wider, und dann kamen sie schlurfend zum Vorschein. Manche bewegten sich mit dem schleppenden Gang der schon lange Infizierten, andere rannten beinahe. Die Rennenden führten das Rudel an und schnitten drei der verbliebenen Fluchtwege ab, bevor ich und Shaun mehr tun
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