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Geheimakte: Das Vermächtnis von Nummer Sechs - das Erbe von Lorien

Geheimakte: Das Vermächtnis von Nummer Sechs - das Erbe von Lorien

Titel: Geheimakte: Das Vermächtnis von Nummer Sechs - das Erbe von Lorien
Autoren: Aufbau
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Internet heraussucht. Sie sagt, ihre Unterrichtsthemen und -methoden seien ›eklektisch‹. Ich weiß nicht, was das Wort bedeutet, bin aber dankbar für die Abwechslung.
    Katarina ist eine ruhige, nachdenkliche Frau. Obwohl sie dem am nahesten kommt, was ich als Mutter bezeichnen könnte, sind wir doch sehr verschieden. Der Unterricht ist wahrscheinlich der Höhepunkt ihres Tages. Ich ziehe das Training vor.
    Nach den Studien geht es wieder in die gleißende Sonne, deren Hitze mich so schwindelig macht, dass ich beinahe halluziniere und meine eingebildeten Feinde real werden. Ich kämpfe mit Strohpuppen, beschieße sie mit Pfeilen, ramme Messer in sie hinein oder bearbeite sie mit den nackten Fäusten. Geblendet von der Sonne, betrachte ich sie als Stellvertreter der Mogadori und finde Gefallen daran, sie in Stücke reißen zu können. Katarina sagt, obwohl ich erst dreizehn Jahre alt bin, verfüge ich über so viel Kraft und Beweglichkeit, dass ich es problemlos mit einem durchtrainierten Erwachsenen aufnehmen könnte.
    |6| Einer der Vorteile des Lebens in Puerto Blanco ist die Tatsache, dass ich meine Fähigkeiten nicht verstecken muss. Damals in Denver musste ich mich immer zurückhalten, um die außergewöhnliche Kraft und Schnelligkeit zu verbergen, die ich mir durch Katarinas Training angeeignet hatte – ob ich nun zum Schwimmen ging oder einfach nur auf der Straße spielte. Hier leben wir abgeschieden von den anderen Bewohnern. Somit muss ich mich nicht verstecken.
    Heute ist Sonntag. Unser Nachmittagstraining dauert daher nicht lange, nur eine Stunde. Hinter dem Haus übe ich mit Katarina Schattenboxen. Ich kann spüren, dass sie bald aufhören möchte. Ihre Bewegungen sind halbherzig, sie kneift die Augen vor der Sonne zusammen und sieht müde aus. Ich liebe es zu trainieren und könnte den ganzen Tag so weitermachen. Doch aus Respekt vor ihr belasse ich es dabei.
    »Oh, ich schlage vor, wir hören heute früher auf«, sagt sie. Ich grinse in mich hinein und lasse sie in dem Glauben, dass auch ich erschöpft bin. Wir gehen ins Haus, wo uns Katarina zwei Gläser
agua fresca
, einen schnell hergestellten Sommerdrink mexikanischer Herkunft, macht. Das ist unsere übliche Sonntagsdiät. In unserem bescheidenen Wohnzimmer läuft der Ventilator auf vollen Touren. Katarina fährt ihre verschiedenen Computer hoch, während ich meine schmutzigen, schweißdurchtränkten Kampfstiefel abstreife und auf dem Fußboden ausruhe. Ich mache Dehnübungen, damit sich meine Arme nicht verspannen. Dann greife ich nach oben zum Regal in der Ecke und ziehe einen Stapel Brettspiele heraus. Risiko, Stratego, Othello. Katarina hat versucht, mich für andere Spiele wie Monopoly und Spiel des Lebens zu begeistern. Sie meint, es würde mir nicht schaden, meinen Horizont zu erweitern. Aber diese Spiele konnten mich nie fesseln. Jetzt spielen wir ausschließlich Strategie- und Kampfspiele.
    Risiko ist mein Favorit. Da wir heute früher aufgehört haben, denke ich, dass Katarina einverstanden ist, es zu spielen – auch wenn es länger dauert als die anderen Spiele.
    |7| »Risiko?«
    Katarina sitzt am Schreibtisch und wendet sich von einem Bildschirm zum nächsten. »Welches Risiko?«, fragt sie abwesend.
    Ich fange an zu lachen und schüttele den Karton. Sie schaut zwar nicht auf, doch das Geräusch der durcheinanderwirbelnden Teilchen lässt sie begreifen, was ich meine.
    »Oh«, sagt sie. »Klar.«
    Ich stelle das Spielfeld auf. Ohne weiter zu fragen, teile ich die Armeen zwischen uns auf und verteile sie über die Landkarte. Wir haben dieses Spiel so oft gespielt, dass ich gar nicht mehr fragen muss, welche Länder sie haben oder welche Territorien sie gern besetzen würde. Sie entscheidet sich jedes Mal für die USA und Asien. Ich platziere ihre Figuren auf den gewünschten Gebieten. Ich weiß genau, dass ich, ausgehend von meinen viel leichter zu verteidigenden Ländern, ganz schnell Armeen werde aufbauen können, die stark genug sind, um ihre zu vernichten.
    Ich bin so in die Aufstellung der Spielfiguren vertieft, dass ich gar nicht mitbekomme, wie still und abwesend Katarina plötzlich ist. Erst als ich mit meinen Halswirbeln ein Knackgeräusch mache und sie mich deswegen nicht ermahnt (»Bitte lass das«, sagt sie normalerweise, weil sie das Geräusch nicht ausstehen kann), sehe ich zu ihr auf und stelle fest, dass sie mit offenem Mund auf einen ihrer Monitore starrt.
    »Kat?«, frage ich.
    Sie antwortet nicht.
    Ich stehe auf
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