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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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feuchtes T-Shirt in seinem Atelier zum Trocknen aufhängen müsste. Mit einem solch gegenseitigen Interesse ausgerüstet, verbrachten sie in den folgenden Tagen Stunden mit philosophischen Diskursen und Berichterstattungen zum tristen Großwerden in der ostdeutschen Provinz. Sein Antrag auf Fördermittel blieb liegen, was Mel unsäglich dämlich fand, da man ihn ja schließlich eindeutig dazu aufgefordert hatte, was so viel hieß, dass die Kohle sicher war. Und Sonias Wissen auf der Basis der philosophischen Hintertreppe wuchs und wuchs. Sie bedankte sich im Gegenzug mit ihren Ansichten über das moderne Leben; ohne Liebe sei der andere nur eine Hülle aus Haut, Knochen und Innereien. Da wäre zum Beispiel der Fuß; was sei an einem Fuß liebenswert? Gar nichts, ein Fuß sei nur schön, wenn man seinen Besitzer abgöttisch lieben würde, wenn nicht, so wäre er nur ein hässliches Tretwerkzeug, vollkommen unappetitlich anzusehen. Er stimmte ihr in allem zu und wagte es zum ersten Mal, seinen Arm um ihre Schultern zu legen, was sie kaum zu bemerken schien. Der innere Wert eines Menschen bestünde ohnehin nicht in seinem Äußeren, sagte sie, ein interessanter Mann sei nur ein solcher, der über eine geistige Strahlkraft verfüge, über seine eigene Lampe . Bastien tätschelte ihr spielerisch das Knie. Glück, Beziehung, Familie seien eben keine Sache der Umstände, sondern des Herzens, und dieses finde seine Nahrung in einem reichen Geist, selbst bei Vergil könne man das schon nachlesen; woraufhin sie kurz schwieg, um dann ihre Bedenken in gute Satzbildungen zu fassen; das mit dem Herz und dem Geist würde schon so stimmen, aber es träfe ja doch in erster Linie auf eine Affäre zu, eine Beziehung oder gar eine Familie hätte dagegen mit exakter Planung und Weitsicht zu tun, da würde man ja schließlich Verantwortung übernehmen, das müsse in trockene Tücher gepackt sein; ein Mann müsse schon in der Lage sein, seine Familie zu ernähren und es ihr an nichts mangeln zu lassen. Ein gewisser Lebensstil gehöre nun mal zu einem kultivierten Dasein; insbesondere auch Reisen, wie nach Bali oder Thailand. Wie aus der Ferne hörte er sich dann sagen, dass er sich durchaus vorstellen könne, sie auf einer seiner nächsten Thailandreisen mitzunehmen, sie sei hiermit herzlich eingeladen; was sie mit einem Wirklich? beantwortete und ihn daraufhin dankbar und lang umarmte. Er streichelte ihr fest über den Rücken und dachte in kurzatmigen Intervallen darüber nach, wo um alles in der Welt er das Geld für einen zweiwöchigen Luxusaufenthalt in Thailand herbekommen sollte, wo er schon den fälligen Förderantrag vermasselt hatte. Aber ihr strahlendes Lächeln war stärker. Sein spontaner Versuch, sie auf den Mund zu küssen, schlug allerdings fehl, da sie ihm reflexartig die Wange hinhielt, versehen mit einem liebevollen Ach, du.
    In den folgenden Tagen rief er so ziemlich jeden an, von dem er sich eine Finanzspritze erhoffen konnte. Ein Münchner Sammler schoss achthundert vor, ein rheinländischer weitere fünftausend, dazu hatte er noch etwas deponiertes Schwarzgeld, es konnte losgehen. Zwar sah er Sonia in der Zwischenzeit nicht mehr ganz so unkritisch, hatte sie ihm doch reichlich von ihren bis dato Verflossenen erzählt, zumeist wohlhabende Banker und Geschäftsleute. Ebenfalls nahm sie gerne das neu von ihm gelernte Wort amorphe Persönlichkeit in den Mund, was ihn zwar misstrauisch stimmte, aber an seiner Begierde auf gemeinsame Sonnenuntergänge und Doppelbetten nichts änderte.
    Als das Gepäckband nun auch ihre letzte Reisetasche freigab und er diese auf den Kuli hievte, schenkte sie ihm das gewohnte Lächeln, das immer hieß, dass sie etwas von ihm wollte; man könne sich die Taxifahrt in die Stadt doch teilen. Sie wohnte in Pankow, er in Kreuzberg, und sie würde ganz sicher davon ausgehen, dass er sie zuerst nach Hause bringen würde. Das bedeutete eine Fahrt quer durch die Stadt, danach, endlich, war er frei.
    Der Taxifahrer lud sämtliche Taschen, Boxen und Koffer ein. Sie saßen im Fond, sie sprach über die Unmengen an Dingen, die sie in den nächsten Tagen zu tun hatte, wer alles auf ihren Rückruf wartete, was für ein übles Wetter es hier denn sei und dass Thailand eigentlich eine echte Lebensalternative wäre. Er stimmte ihr abwesend zu und dachte an Mel. Wie sie ihm gleich um den Hals fallen würde, wie er sie dabei um sich wirbeln würde, dass sie ihm wahrscheinlich eines seiner Lieblingsessen
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