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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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Palmenstränden zufriedengeben wollen, schließlich hatte er ihr diese Reise mit seiner Sinnsuche erklärt; dass er endlich einmal wieder Zeit für sich bräuchte, dass er seine Gedanken bündeln müsse, um zu neuen Ufern zu gelangen. Damit gab sie sich anfangs zufrieden. Es glich schon einem Husarenstück, der eigenen Frau zu erklären, dass man mit einer anderen in den Urlaub fliegt. Im Vorfeld der Reise beschrieb er Sonia als seine kleine Schwester , sodass er Mels Misstrauen galant im Keim ersticken konnte. Schließlich schien sie einverstanden, doch die Seitenblicke blieben nicht aus, und er hätte natürlich darauf eingehen können, tat es aber nicht. War da nicht der Trip nach Kalifornien, letztes Jahr, den sie im letzten Moment abgesagt hatte? Dann Spanien, das Gleiche, im vorletzten Jahr. Und die Liebesreise nach Frankreich, die er letztlich enttäuscht alleine antrat, weil sie zu arbeiten hatte. Mel hin, Mel her; gab es doch Zeiten der Zweisamkeit zwischen ihnen und solche, in denen es einfach einmal nur um einen gesunden Egoismus ging.
    Ganz wohl war ihm bei dem Gedanken dennoch nicht, schließlich war Mel seit acht Jahren an seiner Seite, in ihren Interessen, Vorlieben und Leidenschaften ein vollkommener Spiegel seiner selbst, in einer Vertrauensstruktur, die ihm eine vollkommene Heimat war. Mit anderen Worten: sie war nicht irgendeine , die man mit irgendeiner so einfach betrog.
    »Das tut weh –« Sonia legte seine Hand zurück auf seinen Schoß. Er hatte sich nichts dabei gedacht, denn er sah durch die Seitenfenster die Landebahn in rasender Geschwindigkeit auf sich zukommen. Glücklicherweise erfüllte die Sitzlehne nun den gleichen Zweck wie Sonias Knie, er umklammerte sie fest, seine Handflächen waren schweißnass, und er verspürte eine beginnende Unruhe; das Schlimmste, was ihm vor Sonia jetzt passieren konnte, wäre die Peinlichkeit einer akuten Panik. Bei den vorherigen Starts und Landungen, inklusive aller Zwischenstopps, war es ihm noch einigermaßen gelungen, seine Flugangst mit einem Lächeln zu überspielen, aber diesmal schien die Lage ernst, die Beine waren nicht mehr zu spüren, ab der Lende aufwärts schien er nur noch aus hochaktiven Schweißdrüsen zu bestehen, und sein stiergleicher Blick starrte in den Tunnel eines endlosen Falles, nur das Bodenlose schien jetzt tief genug .
    »Alles OK bei dir?«
    Wie immer in solchen Situationen wäre dann nur ein Triebwerksschaden oder eine Materialermüdung schuld, und die Maschine würde mit voller Geschwindigkeit über die Landebahn hinausschießen, abschmieren, sich mehrmals überschlagen und in einem Feuerball gegen einen dastehenden Tanklaster prallen, niemand an Bord würde diese Apokalypse überleben – Bitte bleiben Sie so lange angeschnallt, bis das Flugzeug seine endgültige Parkposition erreicht hat und die Hinweisschilder über Ihnen erloschen sind.
    Nach einem kurzen Ruck standen sie, er atmete aus. Sonia sah ihn wieder skeptisch von der Seite an: »Du hast mir nie davon erzählt.«
    »Von was?«
    »Von deiner Flugangst.«
    »Ich habe keine Flugangst, Quatsch.«
    »Doch, hast du. Finde ich ganz schön mutig«, sagte sie. »Ich meine, dass du das bislang so im Griff hattest. Wirklich toll.«
    Das hatte er, richtig, einmal sogar in einem zweimotorigen Propellersarg, nicht viel mehr als sein eigener Flugschreiber, dessen Piloten während des Starts seltsam unkonzentriert wirkten, so als hätten sie mit diesem Flug nicht wirklich etwas zu tun. All das hatte er bestens überspielen können, hatte sogar noch die Kraft besessen, auf die Schönheit der thailändischen Inselwelt von oben zu verweisen, aber jetzt, im finalen Anflug, schien die selbstauferlegte Disziplin späte Rache nehmen zu wollen, er fühlte sich wie in der zwölften Runde im Ring, froh, endlich verlieren zu dürfen.
    Er blickte zuerst die Schar aufspringender Fluggäste und dann Sonia an, sagte ihr, wie vollkommen uncool es sei, dass jeder immer der Erste beim Herausklauben des Handgepäcks sein wolle, später stünde man ja ohnehin wieder zusammen am Gepäckband. Sonia musterte zwar etwas unruhig die schiebenden, reißenden und drückenden Hände vor der Gepäckablage über ihnen, in der sie ihre Louis-Vuitton-Tasche sorgsam verstaut hatte, schien ihm aber zuzustimmen und beschränkte sich auf tödliche Blicke zu anderen Reisenden, die ihre Tasche ungehobelt von links nach rechts schoben, um an die eigenen zu kommen. In der Zwischenzeit verspürte Bastien wieder
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