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Gegner des Systems

Gegner des Systems

Titel: Gegner des Systems
Autoren: William Jon Watkins
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schlimmste Tag gewesen. Es war der längste Tag gewesen, an den Eve sich erinnern konnte, und als Welsh seinen Stuhl vom Schreibtisch wegdrehte, um sie zu begrüßen, ließ sie sich auf seinem Schoß zusammensinken. Sie lehnte ihren Kopf gegen den seinen und seufzte tief. Er atmete mehrere Male tief ein und zog etwas von ihrer Müdigkeit aus ihr heraus. Sie lehnte sich zurück und lächelte ihn an, deutete auf ihren Kopf und verzog den Mund.
    Er nahm ihren Kopf in beide Hände und lehnte ihn an seine Stirn. Dann holte er ein paarmal tief Luft und konzentrierte sich, bis seine Nackenmuskeln wie Stricke hervorstanden und zitterten. Schließlich nickte sie, zog ihren Kopf zurück und küßte ihn auf die Stirn. Ihre Kopfschmerzen waren weg, und sie lächelte ihm dankbar zu. Ob es wirklich durch die Kraft der Suggestion geschah, daß ihre Schmerzen aufhörten und seine begannen, interessierte sie beide nicht weiter. Es war eine Geste, die sie beide stärker machte und sie enger miteinander verband.
    Eve küßte ihn und ging in die Küche zurück, um das Abendessen vorzubereiten. Er hatte ihr schon etwas Gemüse aus dem versteckten hydroponischen Raum im Keller heraufgeholt, und sie brauchte nicht lange, um es zu kochen. Sie aßen wortlos und tauschten ihre Gedanken in einer Art persönlicher getarnter Sprache von Körperbewegungen und Gesichtsausdrücken aus, die selbst der erfahrenste Rehab ohne Beherrschung jener fast an Telepathie grenzenden Kommunikation, zu der Eve und er fähig waren, nicht entschlüsseln konnte.
    Einmal lachten sie während der Mahlzeit beide laut auf, und Welsh drehte sich herum und machte eine obszöne Geste zu dem Telefon, in dem ein stecknadelkopfgroßes Mikrofon mit Aufnahmegerät jedes gesprochene Wort im Zimmer aufnahm. Sie wußten, wie es die Techniker frustrieren mußte, die an den Fernsehmonitoren saßen, wenn sie plötzlich in lautes Gelächter ausbrachen, als hätte einer von ihnen etwas Komisches gesagt, und oft bildeten sie Worte mit dem Mund, ohne einen Ton von sich zu geben, um die Techniker in Aufregung zu versetzen und sie ihre Geräte überprüfen zu lassen.
    Welsh hatte die Kameras im Wohnzimmer und in der Küche intakt gelassen, aber die im Schlafzimmer hatte er neu verkabelt, so daß immer dann nur Rauschen und Flimmern empfangen wurde, wenn sie sich liebten, so daß sie wenigstens ein bißchen Privatleben hatten. Alle paar Wochen stellte er fest, daß in seiner Abwesenheit jemand dagewesen war und den Fehler repariert hatte, aber auf die eine oder andere Weise stellte er immer wieder den alten Zustand her.
    Mit den Wärmesensoren wurde man leichter fertig. Sieben dicke Kerzen, die mit Alufolie umgeben waren, machten aus dem Zimmer einen Irrgarten von Warmluftströmen, in dem nichts mehr zu erkennen war. Eve und er liebten sich gern bei Kerzenlicht, obwohl es immer schwieriger wurde, die Kerzen zu ersetzen, die für sie auf die Liste der verbotenen Gegenstände gesetzt worden waren. Sie hatten sogar damit angefangen, aus Wachsmalstiften selbst Kerzen herzustellen, bis Welsh ein Gerät aus Alufolie konstruiert hatte, mit dem er das geschmolzene Wachs in eine Form hineintropfen ließ, wo ein neuer Docht es wieder in eine Kerze verwandelte.
    Manchmal hatte er schon scherzhaft gemeint, daß die Liste der Dinge, die man ihm beim Verhör vorhalten würde, so lange sein würde, daß der Prozeß selbst schon den Rest seines Lebens andauern würde. Er wußte natürlich, daß er zur Terminierung verurteilt werden würde. Er erwartete nicht mehr als einen Scheinprozeß, in dem er, wahrscheinlich von einer unangreifbaren Regierungsstelle, angeklagt, ein paar Minuten verhört und dann zur Terminierung verurteilt wurde. Sollten sie ihn schließlich abholen, würde er weniger als eine Stunde, nachdem die Rehabs seine Tür eingetreten hatten, die Pistole im Genick spüren. Er hielt es jedoch für unwahrscheinlich, daß sie ihn lebend erwischen würden. Während der Stadtkriege war er gründlich ausgebildet worden, und er war weiterhin im Training geblieben. Selbst unbewaffnet würde er sicher einige von ihnen mitnehmen, und wenn er an die Waffen und die Munition im hydroponischen Raum herankommen konnte, dann würde die Truppe für seinen Tod wirklich sehr teuer bezahlen.
    Als sie mit dem Essen fertig waren, widmete er sich wieder den Arbeiten, und Eve ging ins Schlafzimmer. Sie schlief fast sofort ein. Welsh las lustlos in den Arbeiten und ging drei- oder viermal hindurch, ohne etwas von dem
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