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Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Titel: Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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inzwischen, ohne es zu wollen, den Text.
    What you gonna do? You want to get down? Tell me what you gonna do? Do you want to get down? Tell me. Get down on it.
    Hatten N. und er nicht einmal zu diesem Lied getanzt? N. tanzte unbeholfen, ein bisschen eckig, sie war es nicht gewohnt. Sie arbeitete viel und ging selten aus. Seit ungefähr zwei Jahren führte sie eine Galerie mit Kunst aus Asien und Afrika. Davor habe ich eine miese Zeit gehabt, erzählte sie, du würdest mich auf Fotos nicht erkennen, ich war fett, habe gesoffen, war arbeitslos. Alles Scheiße. Bis ich meinen Retter getroffen habe.
    Ein Mann hatte ihr die Galerie finanziert und eine Kur. Der Mann hieß Pinsky. Mein Retter, sagte N., warum auch immer. Ich kannte den kaum, und dann ruft der einfach an und fragt, was er für mich tun kann. Ohne Pinskys zinslosen Kredit wäre ich kaputtgegangen. Pinsky. Warum nur. Wir kennen uns kaum, wir stehen uns nicht nahe.
    Lamin und N. hatten sich am Strand kennengelernt. Die Frauen saßen oder lagen dort, lasen, hörten Musik aus ihren iPods, bestellten sich Cocktails an den Poolbars und warteten auf Männer. Man sprach sie einfach an. Hey, hast du Lust auf Gesellschaft, willst du ein bisschen spazieren gehen? Brauchst du einen Führer? Soll ich dir helfen, auf dem Markt zu handeln? Man gab ihnen ein kleines Geschenk, eine schöne Muschel oder eine selbstgemachte Kette oder einen Ohrring.
    Es war wichtig, nicht zu aufdringlich zu sein, damit konnte man alles verderben. Die erste Begegnung war unverbindlich. Wenn die Frau das Geschenk annahm und es zu einer zweiten Verabredung kam, bedeutete das, man war ein Paar. Im Normalfall blieb man bis zum Ende des Urlaubs zusammen, es konnten ein paar Tage sein oder drei Wochen, selten länger.
    Es kam vor, dass Lamin nach dem ersten Treffen keine Lust mehr hatte. Manche dieser Frauen waren herrisch oder arrogant oder geizig. Manche hatten ein schlechtes Gefühl bei dem, was sie taten, und ihr schlechtes Gefühl münzten sie um in Verachtung und Hochmut. So etwas spürte er schnell. Die Frau musste ihm auch ein wenig gefallen, zumindest ein wenig. Während der gemeinsamen Tage nahm er kein Geld, höchstens zum Abschied auf dem Flughafen. Er ließ sich einladen und empfing Geschenke, zum Beispiel iPods oder Fotokameras, die er dann weiterverkaufte. Von den Besitzern der Restaurants und der Diskotheken, die er mit den Frauen besuchte, bekam er eine Provision, auch von den Händlern, bei denen sie einkauften. Er kam zurecht.
    An seinem Namen, Lamin, konnten die Leute im Dorf ablesen, dass er ein Erstgeborener war. Als Junge war er ein Einzelgänger gewesen. Einer von denen, die bei einem Fest am Rand sitzen und zuschauen. Es kostete ihn immer noch Überwindung, die Frauen anzusprechen, obwohl er selten einen Korb bekam. Er wirkte stolz, aber er war gar nicht stolz. Die Frauen brachten ihm ihre Sprachen bei, sie erzählten ihm von Büchern und Filmen, die er nicht kannte, von Ländern, die er nie sehen würde. Manchmal verliebte er sich ein wenig. Manchmal kamen Frauen ein zweites Mal.
    Am Strand war er seit fünf Jahren, pro Saison lernte er acht bis zehn Frauen kennen. N. sagte ihm, dass sie gar nicht so weit auseinanderlägen, er sei ihr Einundzwanzigster. Das Wort »Liebhaber« wollte sie nicht verwenden. Lamin fragte N., warum sie allein sei. Sie antwortete: »Woher willst du das wissen?«
    Er wusste es eben. Man sieht älteren Paaren an, ob sie noch miteinander schlafen oder nicht. Man sieht Menschen an, dass sie allein sind.
    N. sagte, als eine Art Antwort auf die Frage, warum sie allein sei, das Beste an Männern seien die Geschichten, die sie auslösen. Diesen Satz habe sie irgendwo gelesen. Ihr Trotz rührte Lamin. Sie gefiel ihm.
    Inzwischen warteten sie in dem Flugzeug seit mehr als drei Stunden. Es war Mittag. Die Luft kam ihnen so dickflüssig vor wie Honig. Trotzdem musste von irgendwoher Sauerstoff kommen, sonst wären sie alle längst erstickt. Lamin spürte, dass er müde war. Alle Passagiere waren müde. Kleine Gruppen diskutierten miteinander über ihre Lage, auch N. diskutierte in einer solchen Gruppe. Lamin hörte hin und wieder einzelne Sätze, manchmal verstand er sogar etwas.
    Die Luftvorräte reichen nicht ewig. Vielleicht stehen wir auf einem Flugfeld, das nicht mehr benutzt wird. Aber sie müssten uns doch suchen.
    Der Kapitän hat Geburtstag. Er bittet nach der Landung die gesamte Crew in die Kabine, um kurz anzustoßen, plötzlich passiert irgendetwas,
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