Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefangene Seele

Gefangene Seele

Titel: Gefangene Seele
Autoren: Sharon Sala
Vom Netzwerk:
warum?”
    Sie lehnte sich zurück, um ihm in die Augen schauen zu können. Ihre Stimme zitterte. “Warum?”
    “Weil du nicht mehr das kleine hilflose Mädchen bist wie früher. Du bist nicht nur eine erwachsene Frau, sondern auch eine starke Persönlichkeit, die all das überlebt hat. Wenn du wirklich müsstest, würdest du alles erreichen … Du könntest sogar für dich selbst sorgen.”
    Sie erschauderte, dann umarmte sie ihn wieder. “Aber das muss ich doch nicht, oder Rafie? Solange ich dich habe, muss ich nicht für mich alleine sorgen.”
    Raphael seufzte und zog sie noch näher an sich heran. “Ja, da hast du recht, Süße. Nicht, solange du mich hast. Also, wo willst du hinfahren?”
    “Wir sind noch nie in New Orleans gewesen. Und ich wollte mir schon immer einmal das French Quarter anschauen … vielleicht hält dieses Stadtviertel wirklich, was es verspricht: feinen Fisch und gute Bars, in denen man zu Cajun-Musik tanzen kann. Und außerdem wäre es ein tolles Motiv zum Malen. Was meinst du?”
    Er hob mit einem Finger ihr Kinn an, sodass sie auf gleicher Augenhöhe waren. “Wo immer du auch hingehst, ich werde dir folgen.”
    Jade schaute ihn an, in seinen Pupillen sah sie ihr eigenes Spiegelbild. “Rafie?”
    “Was?”
    “Hast du eigentlich manchmal das Gefühl, dass ich dir im Weg bin?”
    Er runzelte die Stirn. “Warum fragst du das? Das ist absurd.”
    Sie zuckte mit den Schultern. “Weißt du … du bist so schön, und ich sehe doch, wie die Frauen dich angucken. Die Frau, die heute Fotos von uns gemacht hat, hat es sogar gesagt. Hast du nicht manchmal den Wunsch, mit einer Frau eine Beziehung zu führen?”
    Sein Gesicht verriet nichts, aber in seinen Augen konnte sie sehen, dass er traurig und nachdenklich war.
    “Nein. Vielleicht liegt es daran, was ich als Kind durchmachen musste. Aber wie ist es bei dir? Wie geht es dir, wenn du einem gut aussehenden Mann begegnest?”
    Sie erschauderte. “Manchmal frage ich mich das auch, aber dann erinnere ich mich an früher und schlage es mir aus dem Kopf.”
    “Aber weißt du, sie sind nicht alle so wie die Männer aus deiner Kindheit. Sie wollen dich nicht unbedingt verletzen.”
    Jades Unterlippe zitterte. “Aber wie findet man das heraus? Wie kann ich denn sagen, ob ein Mann gut oder böse ist?”
    “Das weiß ich doch auch nicht, Süße … aber ich glaube, du spürst es hier.” Er legte seine Hand auf die Höhe, wo ihr Herz war. “Es geht um Vertrauen.”
    “Ich vertraue dir.”
    “Und ich vertraue dir. Aber du bist wie eine Schwester für mich. Ich könnte dich nie in der Rolle einer Frau sehen.”
    Jade verzog das Gesicht. “Das könnte ich auch nicht. Ich habe es so auch nicht gemeint. Ich wollte nur …”
    Er kniff ihr in die Nase. “Ich weiß doch! Ich habe mir nur einen Scherz mit dir erlaubt.” Dann nahm er sie noch einmal kräftig in den Arm. “Geh schon mal unter die Dusche und mach dich fertig. Derweil packe ich meine Sachen. Dann können wir gleich in der Frühe los.”
    “Okay”, antwortete sie und sprang vom Bett auf. Sie öffnete einen Schrank, kniete sich hin und holte aus der hintersten Ecke eine kleine Kiste.
    “Was ist das?”, frage Raphael.
    Noch einmal sah sie ihn fragend an, sodass er sich an ein hilfloses Kind erinnert fühlte. Sie drückte den Kasten an die Brust und sah plötzlich weg. Mit zitternder Stimme sagte sie: “Die Gesichter. Ich kann sie einfach nicht vergessen.”
    Er seufzte. “Aber vielleicht solltest du versuchen, sie zu vergessen.”
    Sofort verschwand die Hilflosigkeit aus ihrer Haltung, als sie sich ärgerlich zu ihm umdrehte.
    “Kannst du sie vergessen?”, fragte sie.
    Er zuckte mit den Schultern. “Ich versuche es zumindest.”
    Sie hob ihr Kinn und kniff die Augen zusammen. “Ich kann sie nicht vergessen! Ich werde sie nicht vergessen!” Dann schob sie die Kiste nach ganz unten in ihre Reisetasche und holte tief Atem. Ihre Wut verschwand so schnell, wie sie gekommen war. “Und ich will es auch nicht”, fügte sie hinzu, als sie ins Bad ging.
    Sobald die Tür hinter ihr zugefallen war, ließ Raphael seinen Kopf in die Hände sinken und versuchte, nicht zu schreien.
Lieber Gott im Himmel, hilf mir, das hier durchzustehen, ohne verrückt zu werden.
    Als er das Wasser in der Dusche rauschen hörte, unterdrückte er ein Seufzen und holte seinen Koffer unter dem Bett hervor. Er öffnete ihn, nahm die letzten Tabletten heraus und schluckte sie. Morgen würden sie wieder auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher