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Gefangen (German Edition)

Gefangen (German Edition)

Titel: Gefangen (German Edition)
Autoren: Sira Rabe
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geöffnet. In den Gesprächen, die sie in diesen Tagen führten, erfuhr er eine Menge über ihre Interessen, die seinen nicht unähnlich waren. Sie war belesen, vielseitig und fleißig. Ihr Job forderte Verantwortungsbewusstsein und ständige Weiterbildung. Sie war bei weitem intelligenter, als er vermutet hätte und alles andere als ein Hausmütterchen. Wenn er sie weiterhin einsperrte, würde all das verkümmern, sie würde zerbrechen und dann wäre eines Tages das, was sie ausmachte, ihre Persönlichkeit, ihre Eigenarten verschwunden. Was nützte es, dass sie endlich Respekt zeigte und sich ihm nicht mehr verweigerte. Er hätte eine Sklavin gewonnen, aber Delia für immer verloren.
    Er würde es nicht über sich bringen. In den letzten Tagen hatte er begriffen, dass er einen Fehler gemacht hatte. Einen schwer wiegenden Fehler. Er wollte eine Sklavin, die sich ihm freiwillig und gerne unterwarf, weil sie ihn aufrichtig liebte, und das hätte ihn glücklich und zufrieden gemacht. Aber von Delia würde er das niemals bekommen. Es mochte sein, dass sie ihn liebte, aber ihre Liebe brauchte eine Art von Entfaltung, die er ihr nicht zugestehen wollte. Zu oft war er enttäuscht worden. Wieso sollte es bei ihr anders sein. Sie hatte sich nur unter dem großen Druck unterworfen, den er wochenlang auf sie ausgeübt hatte, aber ihren Stolz und ihren Freiheitsdrang bewahrt. Sobald er ihr mehr Freiheiten gestattete, würde sie fliehen. Sie war seiner erotischen Ausstrahlung verfallen, aber das würde nicht reichen. Nicht auf Dauer. Es war besser, er war derjenige, der einen Schlussstrich zog, jetzt, ehe er von ihr enttäuscht würde und noch mehr litt.
    Er, der alles durchdachte, der Mister Perfect, hatte sich geirrt. Es war sein Fehler und alleine sein Problem – nicht ihres. Deswegen würde er das Ganze abbrechen und sie gehen lassen. Die Zeit war vorbei. Vielleicht würde es eine Vermisstenanzeige geben. Vielleicht hatte doch jemand gesehen, wie er sie mitgenommen hatte. Vielleicht würde man einen Zusammenhang zwischen dem Sultan’s, zwischen ihrem und seinem Verschwinden herstellen. Er war seither nie mehr dort gewesen. Das Sultan’s hatte seinen Zweck erfüllt – und doch nicht. Nie wieder würde er dorthin gehen. Es war ihm überhaupt nicht klar, wie er weiter existieren sollte, ohne Delia.
     
    Er half Delia aus dem Overall heraus und sie glaubte, er wolle sie ins Badezimmer gehen lassen. Ihre feinen Antennen hatten sofort wahrgenommen, dass etwas an diesem Morgen anders war als sonst, aber sie vermochte es nicht einzuordnen.
    «Hier, zieh dich an. Ich fahre dich nach Hause. Komm bitte runter, wenn du fertig bist.» Aus seiner Stimme klang Resignation, und er gab sich keine Mühe, diese zu verbergen.
    Sie verstand kein Wort. Irritiert blieb sie wie angewachsen stehen und schaute auf die Bügel mit ihrer Kleidung, die er ihr über den Stuhl gelegt hatte. Sie schienen nicht ihr zu gehören, und doch erkannte sie die blassgelbe Bluse und die dunkelblaue Stoffhose wieder, die sie an jenem Abend getragen hatte, der alles verändern sollte.
     
    Lennart hatte den Wagen aus der Garage gefahren, als Delia hinunterkam, und auf der gepflasterten Einfahrt geparkt. Er hielt ihr die Autotür auf. Dann umrundete er den Wagen, nahm Platz und startete schweigsam. Delia warf einen Blick zurück. Zum ersten und gleichzeitig letzten Mal musterte sie prüfend das schmucke, in zartem Gelb gestrichene Einfamilienhaus. Ein moderner, geschmackvoller Bau mit großem gepflegtem Garten. Ein Traum für eine Familie mit Kindern, aber zu groß für einen einzelnen Menschen. Mit bitterem Bedauern wandte sie den Blick nach vorne und sah starr geradeaus, bis sie ankamen.

Kapitel 17
      
    Die Wohnung war nach sechs Wochen Abwesenheit irgendwie fremd. Wie ein Hotelzimmer, das ordentlich und aufgeräumt und dabei ein wenig steril wirkt, wo die persönliche Note des Bewohners fehlt.
    Delia wanderte unentschlossen durch die Zimmer, Küche, Bad. Alles war geputzt, gesaugt, kein Staubflöckchen. Sogar die Blumen waren gegossen. In den größeren Kübeln steckten gläserne Kugeln zur Selbstbewässerung, wie Delia sie sich schon lange gewünscht, aber niemals selbst geleistet hatte.
    Sie zog ihre Schuhe aus, ließ sie achtlos irgendwo mitten im Zimmer stehen. Dann fiel ihr Blick auf den Blumenstrauß. Lennart hatte ihr auf den Couchtisch ein großes Bouquet roter Rosen gestellt, mitten darin eine einzelne schwarze. Sollte diese ihn selbst symbolisieren,
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