Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis
Autoren: Chiara Strazzulla
Vom Netzwerk:
eigentlich passiert war.
    »Da gibt es nichts zu erklären«, platzte Lyannen heraus.
    »Wirklich nichts?« Die Frage ging zwar an Lyannen, doch Alvidrins klare hellblaue Augen richteten sich auf Drymn. So einen
strengen Blick hatte Lyannen noch nie gesehen, und er beneidete Drymn überhaupt nicht darum, dass er dessen Ziel war. »Wir haben euch immer vertraut. Ihr dürft euch frei im Park der Residenz bewegen, und ich weiß nicht, ob ihr euch überhaupt bewusst seid, was das bedeutet. In ganz Dardamen wird es gerade mal zwanzig Personen geben, denen das gestattet ist, abgesehen von den Bewohnern der Residenz. Wenn wir euch so viel Vertrauen schenken, hätten wir wohl kaum erwartet, euch bei akrobatischen Übungen hier unter unserem Fenster zu erwischen, während ihr eine Sitzung von höchster Bedeutung ausspionieren wolltet, die auf keinen Fall für eure Ohren bestimmt war. Ich denke, es gibt also sehr viel zu erklären. Ich weigere mich zu glauben, dass vier so intelligente Burschen wie ihr eine so schwerwiegende und gleichzeitig so törichte und unwürdige Tat begangen habt, ohne einen guten Grund dafür zu haben.«
    »Erklärt uns doch einfach, warum ihr es getan habt, und wenn ihr gute Gründe habt, müsst ihr euch derer auch nicht schämen«, ergänzte Vandriyan ruhig.
    Er erhob sich und trat zu Alvidrin. So nebeneinander stehend, bildeten sie ein merkwürdiges Paar:Vandriyan war älter, sehr viel älter als Alvidrin, aber auf den ersten Blick wirkten beide wie Dreißigjährige, so wie alle Ewigen. Der Unterschied offenbarte sich nur einem sehr aufmerksamen Beobachter: Auf dem Grund der grünen Augen des Hauptmannes lag der Schatten von weit mehr Erinnerungen als in den hellblauen Augen Alvidrins.Vandriyan überragte Alvidrin, obwohl auch der schon größer war als ein durchschnittlicher Ewiger. Auch Alvidrin war schlank und sehnig, obwohl er nicht so viele Muskeln hatte wie der Hauptmann. Dafür war das Goldblond seiner glatten und sorgfältig gepflegten Haare um eine Nuance heller als das von Vandriyan und sein Gesicht wies weichere Züge auf. Er war in Rot und Schwarz gekleidet und trug auf der Stirn ein Diadem mit blutrot funkelnden Edelsteinen, während Vandriyan seine übliche grüne Reisegarderobe
nicht gewechselt hatte. Allerdings steckte eine neue schwarze Lilie in seinem Haar. Und so unterschiedlich die beiden Männer auch wirkten, eines war ihnen gemeinsam: ihre Miene, die nichts Gutes ahnen ließ.
    »Es ist wohl alles meine Schuld«, murmelte schließlich Validen und löste mühsam seinen Blick von der Decke. »Schließlich bin ich jetzt dreihundert Jahre alt, bin im Krieg gewesen und immerhin der Neffe des Sire und damit der einzige männliche Erbe des Königshauses. Damit erfülle ich meiner Meinung nach alle Voraussetzungen, um an Sitzungen des Hohen Rates teilnehmen zu dürfen. Doch mein Onkel, der Sire, teilt diese Einschätzung überhaupt nicht. Er hat es mir streng verboten und all meine Proteste haben zu nichts geführt. Er meint wohl, ich sei zu jung. Dann kamen wir, also Drymn, ich und die anderen, draußen darauf zu sprechen, und wir waren alle der Meinung, dass ich mir etwas entgehen ließe, was eigentlich mein angestammtes Recht ist.«
    »Doch das, was wir dann getan haben, war meine Idee«, unterbrach ihn Lyannen. »Validen hat nur gesagt, dass er es seiner Meinung nach verdient hat, an den Ratssitzungen teilzunehmen, und ich habe gedacht, dass uns eigentlich niemand irgendetwas sagt. Wir sind doch keine feindlichen Spione, und schließlich würde alles unter uns bleiben, selbst wenn wir auf nicht ganz offiziellen Wegen in den Besitz von einigen Informationen geraten würden. Im Grunde genommen, fand ich, wäre es also kein Verbrechen, wenn wir es mal versuchen würden.«
    »Dann ist mir dieses Fenster eingefallen«, ergänzte Drymn, »und dass es immer offen steht. Es liegt hinter den Stühlen und deshalb schaut eigentlich niemand in diese Richtung. Und ich habe mir überlegt, dass ich es vielleicht schaffen könnte, wenn ich auf Elfhalls Schultern steigen würde.«
    »Aber wenn ich nicht mitgemacht hätte, hätten wir es niemals geschafft, daher müsst ihr mich bestrafen«, schloss Elfhall.
    Alvidrin wechselte einen verstohlenen Blick mit Vandriyan. Er
wirkte nicht mehr so streng, und der Stein, der bis zu diesem Moment auf Lyannens Seele gelegen hatte, wurde ein bisschen leichter.
    »Burschen, was ihr getan habt, war wirklich sehr falsch«, begann Alvidrin in halbwegs strengem Ton,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher