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Gefaehrliches Schweigen

Gefaehrliches Schweigen

Titel: Gefaehrliches Schweigen
Autoren: Ritta Jacobsson
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keine Eile.
    Nach der Kiesgrube verließ ich die Hauptstraße, um in ein schmales Sträßchen einzubiegen, das bergan führte. Das tat ich aus purer Neugier, weil ich dort noch nie gewesen war.
    Die meisten Einfamilienhäuser hier oben waren zwanzig, dreißig Jahre alt und von großen Grundstücken umgeben. Rechts der Straße stand dicht und dunkel der Wald.
    Ich ging weiter, bis ich den Kamm der Anhöhe erreichte. Dort, dicht am Wald, stand ein altes dreistöckiges Haus. Wuff schlug sofort neben dem Briefkasten Wurzeln, um eine Nachricht an ihre Hundefreunde zu hinterlassen. Ich hatte reichlich Zeit, um das Haus zu betrachten.
    Es war das größte in der Gegend, mit Keller- und Dachgeschoss und einem turmgeschmückten Giebel. Das Haus erinnerte stark an ein Spukschloss in einem Gruselfilm, den ich mal gesehen hatte. In dem Film hatte eine hexenähnliche Alte junge Leute ins Haus gelockt, die danach spurlos verschwunden waren. Das Grundstück wurde von einer hohen Tannenhecke umschlossen, der Garten selbst sah verwildert aus. In einem Glockenspiel, das am Vordach der Haustür hing, spielte der Wind eine wehmütige Melodie. Aus dem Schornstein ringelte sichRauch empor, in einigen Fenstern war Licht. Also war jemand zu Hause.
    Vielleicht die menschenfressende Hexe, haha, dachte ich, zerrte dabei aber an Wuffs Leine, um weiterzukommen. Mir war ein wenig mulmig geworden.
    Ich hatte nur ein paar Meter zurückgelegt, als die Stille unterbrochen wurde.
    „Ich hab genau gesehen, was der Köter gemacht hat!“
    Ich wirbelte herum und wäre dabei fast ausgerutscht.
    Aus dem Spukhaus kam eine alte, spindeldürre Frau mit drohend geschwungener Faust angaloppiert. Sie trug eine graue Baumwollhose und dazu einen dicken Wollpullover und sah nicht unbedingt wie eine Hexe aus.
    „Heb das sofort auf!“
    „Aber sie …“
    „Heb es auf!“
    Allmählich begann sie mich zu nerven, aber ich wollte ihr trotzdem die Sache erklären.
    „Mein Hund ist eine Hündin“, sagte ich. „Und Hündinnen hocken sich beim …“
    Die Alte war kein bisschen daran interessiert, etwas darüber zu erfahren, wie sich die Pinkelhaltungen von Hündinnen und Rüden unterschieden.
    „Ich rufe die Polizei!“
    Jetzt wurde ich sauer. Am liebsten hätte ich sie einfach ignoriert, aber wohlerzogen, wie ich war, startete ich dennoch einen letzten Versuch.
    „Da gibt’s doch gar nichts zum …“
    „Die lassen deinen Hund einschläfern!“, keifte sie.
    Dampfend vor Zorn stampfte ich auf. Ich stehe zu den Fehlern, die ich mache – obwohl es viele sind –, aber ich hasse es, ungerecht beschuldigt zu werden.
    „Blöde alte Hexe!“, brüllte ich hinter ihr her. „Passen Sie lieber auf, dass niemand so was mit Ihnen macht!“
    Schon im nächsten Moment bereute ich meine Worte. Das war dann doch ein bisschen heftig. Die Drohung gab ihr außerdem einen Anlass, die Polizei zu verständigen. Und die würden nicht lange brauchen, um den Teenie mit dem einzigen Dalmatiner in der Gegend ausfindig zu machen. Der Hund mit dem lustigen Namen … Wuff.
    Ich überlegte, ob ich hinter der Alten herlaufen sollte, um mich zu entschuldigen, als ich plötzlich andere Sorgen bekam. Weiter hinten entdeckte ich eine lärmende Schar Jungs. Johlend und krakeelend kamen sie direkt auf mich zu.
    Ich hatte keine Ahnung, wer sie waren, aber mein Selbsterhaltungstrieb riet mir, einer grölenden Jungsclique auf einer verlassenen Straße aus dem Weg zu gehen. Ich hatte auch keine Ahnung, was Wuff tun würde, falls die Typen mich anmachten. Hoffentlich würde sie mich beschützen, doch es bestand durchaus das Risiko, dass sie mit eingezogenem Schwanz nach Hause rannte.
    Also ging ich lieber auf Nummer sicher und schlüpfte in den Garten, der dem Spukhaus gegenüberlag. In dem roten Backsteingebäude brannte Licht, aber niemand war zu sehen. Ich suchte hinter ein paar Büschen Schutz und zog Wuff hinter mir her.
    „Still!“, flüsterte ich.
    Sicherheitshalber hielt ich ihr mit der Hand die Schnauze zu.
    Aber Wuff zeigte keinerlei Interesse an dem lärmenden Haufen. Umso mehr schätzte sie es, dass mein Gesicht sich plötzlich auf der selben Höhe befand wie ihre Schnauze, als wir so hinter den Büschen kauerten. Eifrig versuchte sie, meine Wangen abzulecken, aber ich zischte sie an, sie solle still sitzen.
    Die lauten Stimmen waren inzwischen nur ein paar Meter von uns entfernt.
    „Ey, dann hab ich gesagt, ey, geil, Mann, und der dann so, wow, echt?“, berichtete jemand mit großem
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