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Gefaehrliche Verstrickung

Gefaehrliche Verstrickung

Titel: Gefaehrliche Verstrickung
Autoren: authors_sort
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verbargen Gesicht und Haar unter einem Schleier. Außerhalb der Mauern herrschte aurat, da durften sie nichts von ihrem Körper zeigen.
    Was spielten sie nur für seltsame Spiele! dachte Phoebe. Henna, Parfüms und die protzigen Ringe. Glaubten sie wirklich, glücklich zu sein, wenn selbst sie, die es eigentlich nichts anging, die Langeweile in ihren Gesichtern erkannte? Sie betete zu Gott, dass sie diesen Ausdruck nie auf Adriannes Gesicht sehen möge.
    Mit ihren fünf Jahren trat Adrianne schon recht selbstsicher auf und achtete darauf, dass ihre Gäste sich gut unterhielten und wohl fühlten. Mit ihnen sprach sie selbstverständlich Arabisch, leise und sehr melodisch. Adrianne hatte es bislang nicht fertiggebracht, ihrer Mutter zu erzählen, dass ihr Arabisch viel leichter fiel als Englisch. Sie dachte in Arabisch, fühlte Arabisch, und ihre Gedanken wie auch ihre Gefühle muss te sie oft erst ins Englische übersetzen, bevor sie diese ihrer Mutter mitteilen konnte.
    Adrianne fühlte sich wohl in diesem Raum, genoss die Stimmen und Gerüche der Frauen. Die Welt, von der ihr ihre Mutter von Zeit zu Zeit erzählte, bedeutete ihr nicht mehr als ein Märchen. Schnee war nur etwas, das in einer bunten Glaskugel tanzte.
    »Duja.« Adrianne rannte quer durchs Zimmer, um ihre Lieblingscousine zu begrüßen. Duja war beinahe zehn und - wofür Adrianne sie gleichzeitig beneidete und bewunderte - schon fast eine Frau.
    Duja erwiderte ihre herzliche Umarmung. »Dein Kleid ist wunderschön.«
    »Ich weiß«, entgegnete Adrianne, konnte es sich aber nicht verkneifen, bewundernd über Dujas Kleid zu streichen.
    »Es ist aus Samt«, erklärte Duja mit wichtiger Miene. Dass der dicke Stoff bei dieser Hitze nahezu unerträglich war, war für sie zur Nebensache geraten, als sie sich zuvor im Spiegel betrachtet hatte. »Mein Vater hat es für mich in Paris gekauft.« Sie drehte sich einmal im Kreis herum, ein schlankes, dunkles Geschöpf mit feingeschnittenen Zügen und hübschen, großen Augen. »Wenn er das nächste Mal dorthin fährt, nimmt er mich mit, das hat er mir versprochen.«
    »Wirklich?« Adrianne unterdrücke einen Anflug von Neid, der in ihr hochwallte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Duja der Liebling ihres Vaters, des Bruders des Königs, war. »Meine Mutter ist schon dort gewesen.«
    Von Haus aus ein freundliches Kind und nun auch noch besonders glücklich über ihr Samtkleid, streichelte Duja liebevoll über Adriannes Haar. »Eines Tages wirst du auch einmal nach Paris fahren. Vielleicht reisen wir ja zusammen, wenn wir groß sind.«
    Adrianne bemerkte, wie jemand an ihrem Kleidersaum zupfte. Es war Fahid, ihr Halbbruder. Sie hob ihn hoch, um sein kleines Gesichtchen mit Küssen zu bedecken und ihn dadurch zum Juchzen zu bringen. »Du bist das hübscheste Baby in ganz Jaquir.« Obwohl nur zwei Jahre jünger als sie selbst, hatte der pummelige Fahid fast ihr Gewicht. Heftig schnaufend schleppte sie den kleinen Kerl zum Büffet, um ihm einen besonderen Leckerbissen auszusuchen.
    Auch die anderen Babys wurden geherzt und verhätschelt. Alle Mädchen bemutterten die kleinen Buben, streichelten und verwöhnten sie nach Strich und Faden. Von Geburt an lernten die Mädchen, ihre ganze Zeit und Kraft nur dazu zu verwenden, die Männer zu verwöhnen. Adrianne wusste nur, dass sie ihren kleinen Halbbruder anbetete und ihn immer zum Lachen bringen wollte.
    Phoebe konnte dieses ganze Getue nicht ertragen. Sie beobachtete ihre Tochter dabei, wie sie das Kind der Frau, die ihren Platz im Bett und im Herzen ihres Ehemannes eingenommen hatte, liebkoste. Was bedeutete es schon, wenn es das hiesige Gesetz einem Manne erlaubte, sich vier Frauen zu nehmen? Schließlich war es nicht ihr Gesetz und nicht ihre Welt. Sechs Jahre lebte sie nun schon in dieser fremden
    Welt; und sie könnte noch sechzig weitere hier verbringen, aber es würde niemals ihre Welt sein. Sie hasste die Gerüche, die schweren, unerträglichen Düfte, die ihr Tag für Tag den Atem nahmen. Phoebe preßte eine Hand an ihre Schläfe, hinter der ein beginnender Kopfschmerz sich pochend bemerkbar machte. Die Räucherstäbchen, die Blumen, die Parfumschwaden, die sich gegenseitig zu übertrumpfen suchten.
    Sie hasste die Hitze, diese unerbittliche Hitze.
    Sie wollte etwas trinken, aber nicht den üblichen Kaffee oder Tee, der immer bereitstand, sondern ein Glas Wein. Doch Wein war in Jaquir verboten. Vergewaltigung dagegen war erlaubt, dachte sie bitter, als sie ihre
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