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Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Titel: Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
Autoren: Audrey Braun
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Stuhl.
    Er nimmt meine Hand in seine und sofort kriecht Hitze über meine Haut.
    Einen Moment lang können wir anscheinend nichts anderes tun, als uns anzustarren, bis wir beide sicher sind, dass der andere nicht irgendeine Erscheinung ist, die unsere Sehnsucht uns vorgaukelt.
    Seine Hand zittert, als er den Schal von meinem Hals wickelt.
    »Jonathon ist ein Tier«, sage ich. »Er hat gestern vor der Bank versucht, mich dazu zu zwingen, mit ihm in ein Auto zu steigen. Er kann jede Sekunde hier auftauchen.«
    »Das ist sehr gut möglich.«
    Ich ergreife seine Hand. »Wieso? Was genau hat er vor?«
    »Ich werde dir alles sagen, was ich weiß.«
    »Du hast mich angelogen.« Ich lasse seine Hand los.
    Er wendet sich wieder meinem Schal zu und wickelt weiter.
    »Es gibt ein paar Dinge, die ich dir hätte sagen sollen.« Er lässt den Schal zu Boden fallen. »Ich werde dir alles auf der Stelle erzählen, sofort, wenn du willst.«
    Mit dem Daumen streicht er über meine Lippen. Seine Augen suchen meinen Mund. Die Prellungen in seinem Gesicht sind fast völlig verblasst. Nur der kleine Höcker auf seiner Nase wird nicht verschwinden.
    Er streift sein Jackett ab und wirft es aufs Bett. »Möchtest du dich setzen?«
    »Nein.«
    Wir haben so viele Fehler gemacht. Ich wollte so viel. Benicio auch. Aber wir haben versagt, wieder und wieder. Eine Welle der Apathie und der Trauer überrollt mich. Er hatte sich in den Folgen von Entscheidungen verfangen, an denen er nichts mehr ändern konnte.
    Was wir brauchen, ist eine zweite Chance.
    Ich strecke die Arme nach ihm aus und er zieht mich an sich. Die Tage, in denen wir einander beraubt waren, haben sich angefühlt, wie ohne Nahrung oder Wasser zu sein. Ich lechze nach allem, was er mir geben kann.
    Wir verschlingen uns gegenseitig auf dem Bett, gierig und laut, die Kleider fliegen uns vom Leib wie in einem Sturm. Ich verkralle mich in seiner Haut. Ich drücke meine Fingerspitzen in das Laken, als er an mir hinab geleitet, meine Beine spreizt und mich mit seiner Zunge berührt. Ich spüre jedes Detail im Zimmer, meine Sinne pulsieren im Rhythmus meines Herzens. Ich vergrabe meine Finger in seinem Haar wie in einem Traum.
    Als es vorbei ist, liege ich da, meinen Kopf auf seiner Brust, aber ich liebe ihn immer noch mit jeder Faser meines Körpers. Ich sehe hinaus, wo vor dem Fenster Freymanns Schafe am Hang grasen wie weiße Wolken, die träge über das Grün gleiten. Hinter ihnen ragen die Berge auf, in der Farbe meiner Augen, als wollten sie uns bewachen.
    »Es war von Anfang an sein Plan, dass ich hierherkomme, oder?«, sage ich.
    »Ja.«
    »Deswegen hast du mir das mit der Schweiz in den Kopf gesetzt.«
    »Ja, aber das war, bevor …«
    »Hilft ihm irgendjemand?«
    »Ja.«
    »Wie viele sind es?«
    »Zwei.«
    »Bitte sag mir, dass es nicht die Freymanns sind.«
    Er lacht. »Nein. Einer ist ein Arzt.«
    Meine Augen füllen sich mit Tränen.
    Er drückt seine Lippen in mein Haar und atmet tief ein.
    »Hat er mich die ganze Zeit beobachtet?«, frage ich. »Weiß er, wo ich bin?«
    »Wie hast du diese Pension gefunden?«, will Benicio wissen.
    »Durch die Touristeninformation am Bahnhof.«
    »Er musste dem Mann nur dein Foto zeigen. Er hat sich ohne Zweifel an dein Gesicht erinnert.«
    »Es war noch viel einfacher. Ich habe dem Mann gesagt, wer ich bin.«

37
    Ich möchte Benicio in jeder nur möglichen Weise spüren, wie ich es bei Jonathon niemals wollte. Es ist ein Gefühl, als hätte ich achtzehn Jahre in einer Kiste verbracht, einem Sarg, und jetzt will ich endlich raus. Ich will Tageslicht auf meiner Haut fühlen, gutes Essen schmecken, eiskaltes Wasser in meiner Kehle. Benicio ist das alles. Ich möchte ihn beißen, ihn verschlingen, ihn durch meine Haut aufsaugen. Ich möchte den Klang seiner Stimme hören, seinen Atem, sein Stöhnen, seine Schreie in meinem Kopf. Ich möchte ihm alles geben, was er mir gibt. Und noch mehr.
    Niemand stört uns. Wir lieben uns, bis wir nicht mehr sprechen können, unsere Herzen und Körper wund, so von Verlangen erfasst, dass ich mich frage, ob am nächsten Morgen noch irgendetwas von mir übrig sein wird. Ich könnte dabei sterben und es wäre mir recht. Es fühlt sich an, als würde ich bei jeder Berührung zerfließen, nur noch Gefühl sein, so flüchtig wie Rauch.
    Ich sinke aufs Bett und ringe nach Luft, beobachte ihn, während er mich beobachtet, unsere Körper schweißüberströmt,versuchen wir, zu Atem zu kommen. Nur Sekunden vergehen und
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