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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt
Autoren: Simone Olmesdahl
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Erholung. Die Geschehnisse ließen sich am besten im Schlaf verarbeiten. Das hatte sie mal irgendwo gelesen. Wenn sie damit recht behielt, konnte die kommende Nacht bloß eine werden, die selbst Freddy das Fürchten gelehrt hätte. Super!

    *
    Sebastian streckte die Glieder, sein linker Fuß fühlte sich taub an, die Zehen kribbelten. Er hatte absichtlich kaum eine Stunde geschlafen, er wollte nicht zur Ruhe kommen, denn das konnte er sich nicht leisten. Noch nicht. Sanft berührte er Marlas Schulter, um sie sachte aus dem Schlaf zu holen.
    Sie schlug orientierungslos die Augen auf und blickte sich verwirrt um. Sebastian bedeutete ihr, ihn hinauszubegleiten. Er musste mit ihr sprechen und es konnte nicht warten. Marla warf sich die Jacke über und folgte ihm auf den renovierungsbedürftigen Flur. Die Tapete stammte aus den Siebzigern.
    »Ich muss gehen«, flüsterte er. Es gab nichts schönzureden.
    »Warum?« Die müden Gesichtszüge spiegelten blankes Entsetzen wider, ihr verschlafenes Gehirn war schlagartig erwacht.
    »Es muss sein«, wiederholte er.
    »Wohin willst du?«
    Marla war intelligent. Sie wollte es nicht verstehen.
    »Ich bringe euch in Gefahr, denn mein Vater wird nach mir suchen. Außerdem kann ich nicht richtig kämpfen, wenn ich ständig auf euch achten muss.«
    »Komm mir nicht mit derselben Leier, mit der wir uns schon vom Rest haben verabschieden müssen.«
    »Aber es ist wahr. Josh hätte mich heute fast getötet. Er hatte recht, als er sagte, dass Anna meine Schwachstelle ist. Wir müssen uns trennen. Ihr könnt es mit dem Beirat aufnehmen, die sind nicht halb so gerissen. Aber gegen meine Familie habt ihr beide keine Chance. Sie werden euch töten, Marla. Ich werde sie nicht aufhalten können. Außerdem traue ich mir selbst nicht über den Weg.«
    »Was sollen wir deiner Meinung nach tun?« Ihr Kehlkopf hüpfte, so schwer schluckte sie.
    »Versteckt euch, verhaltet euch unauffällig. Ich lotse meine Familie von hier weg. Sollte der Beirat euch angreifen, früher oder später wird er das, dann tretet den Engländern in den Arsch. Ich versuche in der Zwischenzeit, dem anderen Übel ein Ende zu setzen.«
    »Du wirst allein keine Chance haben, Sebastian.«
    »Mit euch habe ich auch keine. So kann ich vielleicht noch jemanden mitreißen, wenn mein Vater oder Josh versuchen, mein Leben zu beenden.«
    »Du willst in den sicheren Tod gehen?«
    Sebastian blickte ihr in die Augen. »Ich habe lange genug gelebt«, sagte er bitter.
    Marla quollen Tränen in die Augen. »Du hasst dich für das, was du bist, oder?«
    Sebastian atmete tief durch. Er konnte nicht erklären, was er empfand. Dafür gab es keine Worte.
    Marla zog ihn in die Arme und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Einsamkeit war die Unantastbarkeit seines Selbst.
    Sein Urteil war bereits gesprochen worden, als Sebastian als Magier das Licht der Welt erblickte. Er stellte eine Gefahr für andere dar und für seinesgleichen war er nichts wert. Das machte ihn zum einsamsten Wesen auf diesem Planeten. Aber es stand ihm frei, einen ehrenvollen Tod zu wählen.
    Einsam, aber erträglich. Wenn er starb, dann für die Liebe.
    Sanft löste sich Marla aus seiner Umarmung. »Pass auf dich auf, ja?« Ihre Stimme bebte.
    »So lange, bis ich euch in Sicherheit weiß«, antwortete er leise. »Sag Anna …«
    Marla zog die Augenbrauen hoch.
    »Ach, sag ihr nichts.« Sebastian wandte den Blick ab und starrte zu Boden. Nun kämpfte er doch mit den Tränen. Er ertrug keinen Abschied. Sebastian atmete tief durch und verschwand auf leisen Füßen über den Flur.

44. Kapitel
    Kampfgeist
    A nna erwachte mit dem Wissen, etwas Furchtbares geträumt zu haben, aber sie erinnerte sich nicht. Ihr Blick fiel auf den Kleiderschrank. Ein blasser Sonnenstrahl warf gräuliches Licht durch die verdreckte Scheibe und machte die dicke Staubschicht auf dem Schrank sichtbar. Eine schlimme Vorahnung beschlich sie. Ein Teil ihrer Träume hatte es in die Welt geschafft.
    Marla saß im Sessel und sah aus dem schmutzigen Fenster. Sie wirkte müde, aber ihre Verletzungen waren rasend schnell verheilt.
    »Wo ist Sebastian?« Anna richtete sich auf und rieb sich über das Gesicht, doch sie entdeckte ihn nicht. Marla hob den Kopf. Ihre Augen glitzerten feucht.
    »Wo ist er?« Bösartige Krallen gruben sich tief in ihr Herz, rissen klaffende Wunden in den Muskel.
    »Er ist fort.«
    »Fort?«
    Die Krallen bohrten sich noch tiefer ins Fleisch.
    »Er hat recht, Anna.«
    Anna erwartete
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