Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrochen

Gebrochen

Titel: Gebrochen
Autoren: Jeany Lena
Vom Netzwerk:
Programme machen konnte. Wie es funktionierte, dass der Computer all die tollen Sachen machte.
    Doch die ganze Zeit blieb die Anspannung da. Die ganze Zeit saß ihm die Angst im Nacken. Die ganze Zeit lauschte er, ob sein Vater kommen würde. Oder seine Mutter. Ständig war die Furcht da, wann er wieder aus seinem Zimmer gerufen wurde und der Schmerz und die Erniedrigung von neuem losgingen.
    Dass es losging, stand außer Frage. Drei Mal in der Woche brachte seine Mutter jemanden mit. An den Wochenenden sein Vater. Die einzige Bedingung seiner Eltern war, dass sie ihn nicht ins Gesicht schlugen. Denn dort konnte man die Auswirkungen nicht verstecken. Sonst musste Leon jedes perverse Spiel mitmachen, dass sie sich ausdachten. An Flucht dachte er nicht mehr, das war zu gefährlich. Denn selbst die Polizei stand auf der Seite seines Vaters, wie er ja schon festgestellt hatte. Nein, er war gefangen. Gefangen in seiner persönlichen Hölle.

    ***

Er hatte wieder versucht sich zu wehren, als er fünfzehn geworden war. Egal wie sehr er geschlagen worden war, er hatte sich geweigert. All die Jahre hatte er es erduldet. Doch es war nicht richtig. Er war ein eigenständiger Mensch, er wollte selbst sagen, was er ertragen wollte und was nicht. Sein Vater hatte es eingesehen.
    Er hatte eingesehen, dass Leon stärker geworden war. Er hatte eingesehen, dass er mit Schlägen oder Schmerz nicht weiter kam. Er hatte eingesehen, dass es so nicht weiter ging.
    Er hatte aufgegeben.
    Und eine andere Lösung gefunden.
    Leon war es zuerst unerklärlich, warum er immer wieder machte, was seine Eltern und all die anderen von ihm verlangten. Immer wenn er anschließend in seinem Zimmer lag, schmerzgepeinigt und schluchzend, fragte er sich, warum er einfach nachgegeben hatte. Irgendwann nach Monaten war es dann, dass Leon ihnen auf die Schliche kam. Sie machten ihn mit irgendetwas gefügig. Es waren irgendwelche Pillen, die sie ihm ins Essen gaben. Er konnte es sich nicht leisten, das Essen abzulehnen. Es gab selten genug etwas. Seine Mutter aß immer auswärts, der Kühlschrank war fast leer. Oft genug litt Leon Hunger, weil einfach nichts da war. Oft genug kamen zu den Schmerzen, die er durch die Misshandlungen hatte, das Verkrampfen seines Magens, weil er gegen den Mangel an Nahrung protestierte. Er konnte sich auch nichts kaufen, denn Geld hatte er keines. Er hatte einmal gewagt danach zu fragen, um sich wenigstens jeden Tag eine Kleinigkeit kaufen zu können. Die Strafe war prompt gefolgt und war wie immer schmerzhaft. Er brauchte kein Geld, hatte sein Vater getobt, zwischen seinen Stößen. Er bekam alles, was er brauchte, hatte seine Mutter gestöhnt, während seine Zunge sie verwöhnen musste.
    Panik machte sich in Leon breit. Panik, dass er abhängig werden würde, oder schon war. Er wollte kein Junkie sein. Viel zu abschreckend waren all die Bilder und Berichte, die er davon gesehen hatte. Er flehte seine Eltern an, damit aufzuhören. Er versprach, sich nicht mehr zu weigern. Was brachte es ihm auch? Nichts, denn benutzt wurde er ohnehin. Zu seiner Erleichterung reagierten seine Eltern darauf. Er hatte sich jetzt wieder zu jeder Zeit unter Kontrolle.
    Es war dieser Zeitpunkt, als er endgültig aufgab. Es war keinerlei Widerstand mehr in ihm. Nichts, worauf er für ein neues Aufbegehren aufbauen konnte. Nur Resignation.
    Ein willenloser Spielball seiner Eltern. Nicht einmal, als sein Vater ihn irgendwohin mitnahm, erwachte er aus seiner Resignation. Es war ein Arzt, der ihm etwas spritze. Die Panik vor Abhängigkeit war sofort wieder da, doch er wusste, dass es ihm nichts bringen würde, aufzubegehren. Er wurde bewusstlos, war es eine Narkose gewesen? Er wusste es nicht. Kaum war er aufgewacht, schleppte ihn sein Vater nach Hause. Leon wusste nicht, was das gewesen war. Es war ihm auch egal. Er hatte Schmerzen, wie so oft. Wie fast immer. Erst als er das nächste Mal unter der Dusche stand, sah er, was passiert war. Er war beschnitten worden. Leon nahm es zur Kenntnis, was blieb ihm anderes übrig?
    Er lebte in seiner persönlichen Hölle, aus der es kein Entrinnen gab. In seiner persönlichen Hölle, wo die Angst regierte. Die Angst, vor neuer Demütigung. Die Angst vor neuem Schmerz. Sein Körper reagierte auf diese Angst mit Anspannung. Keine Sekunde am Tag war Leon entspannt. Er wusste schon gar nicht mehr, wie sich das anfühlte.
    Die Tage verschwammen ineinander, einzig der Lernstoff wechselte. Dann waren wieder Ferien, die ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher