Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland
Autoren: Elke Kößling
Vom Netzwerk:
wiederum die Kunden inzwischen auch aus sämtlichen Regalen in Buchhandlungen freundlich anlächelt. Ich erwähne es nur vollständigkeitshalber: Mittlerweile gibt es auch drei Romane von Alan Titchmarch, wunderbar vorhersehbar in ihrem plot und mit herrlich englischen Themen. Zur Ehrenrettung des Autors muß gesagt werden, daß nur sein Erstlingswerk das Leben, Lieben und Leiden eines zum Fernsehmoderator avancierten Gärtners zum Thema hat.
    Die Engländer lieben Sendungen, die sich mit der Verschönerung von Haus und Garten beschäftigen. Es gibt davon mindestens doppelt so viele wie in Deutschland Quizsendungen und Talkshows. Mit anderen Worten: Egal, ob Sie vormittags, nachmittags oder abends den Fernseher einschalten – die Chance, auf eine dieser Sendungen zu treffen, ist extrem hoch. Beliebt sind nicht nur Ratgeber wie »Gardeners’ World«, sondern auch und vor allem Programme mit Vorher-Nachher- Effekt. Menschen, die an DIY-Projekten (do-it-yourself, einem typisch englischen Hobby … ) im Wohnzimmer oder auf der Terrasse gescheitert sind, ihrem Haus und / oder Garten gerne eine neues Profil geben möchten, aber weder die rechten Ideen noch die notwendigen handwerklichen Grundkenntnisse haben, suchen Hilfe in BBC-Sendungen wie »Home Front«, »Changing Rooms«, »DIY-SOS« oder »Ground Force«. Jede dieser Sendungen und ihre Moderatoren hat Kultcharakter und einen für deutsche Fernsehmacher wahrscheinlich völlig unverständlichen Unterhaltungswert. Da rücken zum Beispiel in »Ground Force« die Bodentruppen in Form von Alan Titchmarch und Charlie Dimmock an, im Gefolge ein Heer von kräftigen Jungs, und krempeln den Garten um. Und das gründlich. Damit es nicht zu einfach ist, werden ihnen vom Sender gerade mal zwei Tage für das Unterfangen zugestanden, für das normale Menschen unter den besten Bedingungen mindestens vier Wochen brauchen würden. Vor den Augen des Zuschauers verwandeln sich langweilige Vorgärten in pflegeleichte Arrangements aus Gräsern, Kies und Wasserläufen. Nichts in der Sendung wird gestellt, Alan und Charlie arbeiten und fluchen im strömenden Regen, Pläne funktionieren nicht vor laufender Kamera. Man könnte ebensogut bei den Nachbarn über den Zaun schauen. Auf jeden Fall wird man Zeuge der typisch englischen Eigenschaft, sich selbst und das Leben nicht ganz so ernst zu nehmen, und stellt wieder einmal fest, daß das äußere Erscheinungsbild in England einfach unerheblich ist.
    Bestes Beispiel ist Charlie Dimmock, eine resolute junge Gärtnerin in permanent dreckigen Jeans und engen T-Shirts, die sich beharrlich weigert, einen BH zu tragen. Englische Zeitungen haben darüber ausführlich berichtet und ihr striktes Nein zum einengenden BH letztendlich wohlwollend akzeptiert.
    Nicht auszuschließen, daß J. K. Rowling bei der Konzeption ihrer Harry-Potter-Romane auch an die auf der BBC ausgestrahlten Haus- und Gartensendungen gedacht hat: Vielleicht erinnern Sie sich – die Gemäldeporträts auf Hogwarts besuchen sich immer gegenseitig in ihren Rahmen. Genauso ist das mit den Moderatoren dieser Sendungen. Durchaus möglich, daß die Zuschauer zwischendrin nicht mehr genau wissen, welche sie denn gerade schauen. Aber der Grad der Vertrautheit mit den Moderatoren steigt natürlich von Sendung zu Sendung. »Home Front«-Designer Laurence Llewellyn Bowen, ein Dandy, an dem Oscar Wilde seine wahre Freude gehabt hätte, taucht auf einmal in »Changing Rooms« auf, wo er, der eigentlich viel lieber nur gut aussieht und noch bessere Ratschläge erteilt, unter dem Gelächter der DIY-erprobten Kollegen Fensterläden und Regale zimmern muß. Wenn er den Rahmen auf der Arbeitsplatte festnagelt, wird das von der Kamera, samt den bissigen Kommentaren, ohne Erbarmen in den Äther geschickt.
    Es geht auch harmloser: Sein Kollege Diarmuid Gavin, Landschaftsgestalter mit teilweise recht exzentrischen Ideen aus
    »Home Front«, präsentiert zum Beispiel gemeinsam mit Charlie Dimmock jährliche Highlights wie die Chelsea Flower Show, auf der die neuesten Pflanzen und Gartentrends vorgestellt werden.
    Die Engländer hatten zu ihren Gärten schon immer ein ganz besonderes Verhältnis. Die Fähigkeit, exquisite Gärten zu entwerfen und anzulegen, sei Englands großartigster Beitrag zur Kunst, hat einmal ein Kunstkritiker gesagt. Von alters her waren Gärten in England mehr als ein Stückchen Erde hinterm Haus, in dem ein paar Nutzpflanzen ihr Dasein fristen.
    Anläßlich des National Poetry
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher