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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Sie vorher an. Dann habe ich mehr da.« Hier herrschte noch immer der Mangel.
    Als ich einem Bekannten davon erzählte, der sich in der Prignitz ein Haus gekauft hatte, sagte er mit glühender Begeisterung: »Die Landschaft, die Straßen, die Leute, das ist alles noch wie in den Vierzigerjahren!« Auch ihm fiel sofort eine Geschichte ein. Im Allgemeinen habe ich festgestellt, dass es, kommt die Rede auf Brandenburg, bei Nichteinheimischen immer zuerst um abenteuerliche Restaurantbesuche geht.
    In einem Lokal sei Gemüsesuppe im Angebot gewesen, erzählte er. Erfreut über diese Abwechslung auf der Speisekarte, habe er die Suppe sofort bestellt. Nach längerem Warten wurde serviert: Kürbissuppe. Da Kürbissuppe nicht im engeren Sinne zu den Gemüsesuppen gehöre, habe er die Kellnerin gefragt, warum sie ihn nicht auf den Unterschied hingewiesen habe. »Wenn ich’s den Leuten sagen würde, würd’s ja keiner mehr bestellen«, sagte sie. Er war so perplex, dass er zu fragen vergaß, warum sie die Suppe, wenn sie keiner bestellte, überhaupt im Angebot hatte.
    Sollten Quark und Kartoffeln auf der Speisekarte stehen, haben Sie Glück. »Pellkartoffeln und Quark« gehört neben dem Sauerkraut zu den Leibspeisen dieses Landstriches. Zur Verfeinerung können Sie um eine große Portion Leinöl, rohe Zwiebeln oder ein Schälchen Leberwurst bitten. Das Wichtigste aber ist die Kartoffel. Ohne die Kartoffel können wir Brandenburger nicht leben. Sie ist Grundnahrungsmittel und Labsal. Sie ist billig, wächst in ausreichenden Mengen und macht satt, weshalb sie beruhigend auf unsere brandenburgische Seele wirkt. Aber die Kartoffel ist nicht nur ein Nahrungsmittel. Sie hat auch Symbolkraft. Als Grabschmuck drücken Erdäpfel Liebe und Verehrung aus. Wie anders ließen sich die runzligen Kartoffeln deuten, die regelmäßig auf den Grabplatten von Friedrich dem Großen und seinen Windhunden im Park Sanssouci liegen? Keine Blume, keine Kerze ziert die Gräber. So schlicht wie die eingemeißelten Namen der Hunde zeigt sich das Gedenken.
    Auf dem Teller sind die Kartoffeln nie bloße Beilage. Wenn es nach uns ginge, wäre die schlechte Angewohnheit, zwei Kartoffelhälftchen zur Zier am Tellerrand zu positionieren, längst ausgestorben. Wir wollen einen ordentlichen Haufen! Kartoffeln sind schließlich die Hauptspeise. Folgender Dialog mit der Kellnerin eines Landgasthofs illustriert dieses verbreitete Missverständnis über die Rolle der Kartoffel zwischen Einheimischen und Gästen sehr schön:
    Frage des ortsfremden Gastes beim Blick in die Speisekarte: »Was würden Sie empfehlen?« Die Antwort: »Bratkartoffeln.« Abwarten des Gastes. Als die Kellnerin auch nach längerem Warten nichts ergänzt, folgt ein banges Nachhaken: »Bratkartoffeln also. Und was dazu?« Äußerste Verwunderung bei der Kellnerin. »Dazu?« Und verachtungsvoll: »Na alles. Dazu könn’ Se alles haben.«
    Selbst in einem griechischen Restaurant werden Sie, liegt es in Brandenburg, immer ein großes Sortiment an Kartoffeln finden. Dienen gewöhnlich Reis oder gefüllte Weinblätter als Beilage, werden hier Knoblauchkartoffeln, Folienkartoffeln oder Kartoffelsalat serviert.
    Allein die Vielfalt der Sorten kündet von der Bedeutung der Kartoffel. Die Auswahl ist eine hochkomplexe Frage. Um nicht völlig zu verzweifeln, fängt man am besten bei der groben Unterteilung an. Es gibt festkochende und mehligkochende Kartoffeln. Ob sich die eine oder die andere besser für Pellkartoffeln und Quark eignet, reißt mitunter mitten in den Familien einen tiefen Graben. Die einen mögen die Kartoffel gern vornehm schneiden und sie – mit einer Messerspitze Leberwurst oder Butter versehen – in den Quark versenken, sodass die Kartoffelscheibe, bis sie im Mund verschwindet, ein schöner Anblick bleibt. Das sind die Festkochvertreter. Die anderen mögen ihre Kartoffeln lieber mit der Gabel in den Quark hinein zerdrücken, das Ganze schön vermengen, sodass Leinöl, Quark, Leberwurst und die Kartoffel schon auf dem Teller eine harmonische Einheit bilden. Das sind die Mehligkochvertreter. Eine kompromissbereite Familie erkennt man daran, dass sie sich für die vorwiegend festkochende Kartoffel entschieden hat, deren Schale zwar zerfällt, ihr gelbes Innere aber großenteils erhalten bleibt. Sie lässt sich schneiden und zermatschen. Wichtig ist, die Kartoffeln im Salzwasser mit Schale zu kochen und sie erst nach dem Kochen abzupellen. Friedrich II. aß am liebsten »Pommes
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